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Lord Gamma

Lord Gamma

Titel: Lord Gamma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
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ein Schwarzes Loch.« Stockend erklärte er: »Sein Gravitationsfeld wird die Sphäre kollabieren lassen!«
    »Das geschieht bereits, in jeder Sekunde, die verstreicht.«
    »Soll das heißen, ein Schwarzes Loch rast auf uns zu?« fragte ich verblüfft.
    »Es wird den Mond passieren, ja, aber es bewegt sich nur sehr langsam.«
    »Kann man es nicht zerstören? Oder es von seiner Bahn ablenken?«
    »Nichts kann einen Kollapsar aufhalten, Stan, höchstens ein noch größerer seiner Art. Er absorbiert jede Form von Energie, unabhängig von ihrer Expansionskraft. Seine Gravitation ist unvorstellbar. Er wird den Mond vielleicht sogar aus seiner Umlaufbahn reißen. Sein Einfluß auf mich wächst von Minute zu Minute. Wenn er in neunzehn Stunden den mondnächsten Punkt seiner Bahn erreicht, werde ich bereits aufgehört haben zu existieren – und die Erde, sieben Milliarden Menschen und all ihr Wissen werden vergangen sein.«
    »Dann ist es also wahr?« erkannte Gamma. »Der Planet befindet sich im String-Raum.«
    »Ja«, bestätigte die Stimme. »Die Welt meiner Schöpfer ist in mir…«
    Strahlende Helligkeit erfüllte das Observatorium. Ich fühlte mich einen Moment lang schwerelos, zweifelte, ob ich vornüber fiel oder mich im Kreis drehte. Das Licht erlosch, ehe ich festen Boden unter den Füßen spürte. Lediglich das Weiß blieb.
     
    Wir fanden uns wieder auf einem pyramidenartigen Bauwerk aus blütenweißem Gestein. Es erhob sich inmitten einer Ebene aus schlafenden Menschen. Sie waren vollständig bekleidet und ruhten auf hüfthohen Quadern. Auch die Quader waren weiß, wie der Boden und der Himmel. Kein Laut drang an unsere Ohren. Der Himmel war so hell wie das Licht, in dem Prills Körper strahlte. Uns umgab die Ruhe und die unwirkliche Harmonie von Milliarden schlafender Menschen. Ich hatte die Landschaft, die Norom umgeben hatte, als pure Ausdehnung empfunden, doch die Ebene unter uns war absolut. Es bedeutete keinen Unterschied, ob ich nach links oder rechts oder hinter mich blickte. In jeder Richtung erstreckten sich die Quader bis in die Unendlichkeit.
    Schläfer, Schläfer, Schläfer …
    »Ihr seid wahnsinnig«, flüsterte ich ergriffen, »vollkommen wahnsinnig.« Gennard, dem die Worte gegolten hatten, stand rechts von mir, Seetha und Gamma zu meiner Linken. Das Sublime hielt sich unmittelbar hinter uns auf. Prills Körper schwebte nicht mehr. Ihre Augen waren wieder geschlossen, ihre Hände vor ihrem Schoß gefaltet. Sie schien zu einer leuchtenden Marmor-Skulptur erstarrt zu sein. Gennard verschränkte seine Arme vor der Brust und sah nicht sonderlich begeistert aus. Als er bemerkte, daß ich ihn ansah, schenkte er mir einen knappen, aber effizienten Blick: einen kurzen, stechenden Kopfschmerz.
    Vor uns befand sich ein halbrundes Kontrollpult, ähnlich der Computerkonsole in der Babalon-Station. Sein nachtschwarzes, von leuchtend bunten Symbolkolonnen überzogenes Paneel bildete einen abstrakten Kontrastpunkt zum alles beherrschenden Weiß der Superzelle. Hinter dem Pult stand ein Morner. Hätten sich nicht Milliarden weiterer Individuen um uns herum befunden, wäre ich von seiner Anwesenheit überrascht gewesen. So jedoch nahm ich seine Präsenz nur beiläufig wahr. Zu unfaßbar war das, was uns umgab.
    Der Morner drehte sich mit einer steifen, mechanisch wirkenden Bewegung herum. Er kreiselte förmlich um seine Längsachse, als er unserer Anwesenheit gewahr wurde, und musterte uns einen nach dem anderen mit ruckartigen Kopfbewegungen. Sein Blick blieb schließlich auf dem Sublime haften, ehe er zwei Schritte vortrat. »Arr?« machte er.
    Prills Augen gingen auf und sahen ihn an. Der Morner verharrte, als erhielte er eine nur für ihn vernehmbare Botschaft. Dann wandte er sich lautlos um und widmete sich wieder seiner Konsole.
    Seetha hatte sich beide Hände vor den Mund geschlagen und lief zaghaft zum Rand der Plattform vor. Dabei stieß sie mit erstickter Stimme aus: »O, Gott … o, mein Gott … o, mein Gott …« Ihre Augen waren weit aufgerissen und tränenerfüllt. »Das ist der Ort …«, sagte sie, »ich erinnere mich wieder … all diese Menschen, die unzähligen Menschen …« Dann erneut: »O, mein Gott …«
    Sie drohte am Rand der Plattform zusammenzubrechen. Gamma, der ihr gefolgt war, fing ihren Sturz auf und setzte sie vorsichtig auf dem Boden ab. Er warf mir einen vielsagenden Blick zu und sah wieder über das Meer der Schläfer. Dabei murmelte er etwas in seiner melodischen

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