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Lord Gamma

Lord Gamma

Titel: Lord Gamma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
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in ihre Nähe und überlegte, auf welche Weise ich sie ansprechen sollte, als ich spürte, daß mir der Cocktail auf recht eigenartige Weise zu Kopf stieg. Alles um mich herum wurde langsam hektischer, die Farben zunehmend intensiver, die Töne verschmolzen zu einem harmonischen Singsang. Prill schien zum Greifen nahe und gleichzeitig kilometerweit von mir entfernt. Clemens hingegen veränderte unentwegt seine Größe, reichte mir mal bis zur Hüfte, dann wieder bis zu den Baumwipfeln empor. Ich betrachtete das Glas in meiner Hand. Gerade mal die Hälfte seines Inhalts hatte ich geleert.
    »Das haut rein, was?« brüllte mir Clemens ins Ohr.
    Reinwasreinwasreinwas … hallte seine Stimme als Endlosschleife in meinem Kopf wider. Ich starrte weiterhin auf den Drink, wollte noch einen Schluck nehmen, doch meine Hand vollführte Kreiselbewegungen mit dem Glas. Ich bekam es nicht an die Lippen. Benebelt sah ich zu Clemens und bildete mir ein, durch ihn hindurchblicken zu können. Er wirkte wie ein Hologramm. Jemand zupfte an meinem Jackenärmel. Ich warf den Kopf zur Seite und erkannte Melissa, die erschrocken zurückzuckte.
    »Liebe Zeit«, beschwerte sie sich. »Bist du in Ordnung?«
    Mühsam schüttelte ich den Kopf. »Frag diesen durchsichtig gewordenen Kerl«, nuschelte ich und deutete auf Clemens, »diesen Transparenzler, was hier drin ist.« Ich hielt Melissa den Drink unter die Nase.
    Sie roch daran und rümpfte amüsiert die Nase. »Riecht wie ein Slippery Nipple. Dein wievielter ist das?«
    »Der erste.«
    »Wow. Dann hast du Glückspilz bestimmt ein Wonneglas erwischt. Krieg ich einen Schluck?« Sie leckte sich erwartungsvoll die Lippen.
    »Wonneglas?« Ich war bemüht, Prill im Auge zu behalten. Das gesamte Arboretum drehte sich mittlerweile um mich. »Hier, bitte.« Ich drückte Melissa das Glas gegen ihre linke Brust.
    Sie schnappte sich den Drink und kippte seinen Rest in sich hinein. Dann gab sie das leere Glas Clemens, der es ratlos ansah. »Komm!« sagte Melissa. Sie ergriff meine Hand und zerrte mich fort.
    »Wohin willst du?« Meine Gedanken rotierten.
    »Zu mir«, rief sie. »Los, komm schon, ehe das Zeug zu wirken beginnt und ich mein Quartier nicht mehr finde.«
    Ich hatte das Gefühl, Melissa in mehreren Abständen gleichzeitig zu folgen. Meine Hand, an der sie mich führte, wähnte ich bereits meterweit vor mir, während meine Beine viel weiter hinter mir zu laufen schienen. Mein Körper schwebte federleicht wie ein an der Leine gezogener Luftballon hinter der Frau her. Lichter und Körper glitten an mir vorbei. Ich lief und lief, ohne das Gefühl zu haben, von der Stelle zu kommen. Clemens’ gebrülltes Reinwasreinwasreinwas bildete den Rhythmus zu meinen Schritten. Irgendwann standen wir in Melissas Wohnung, und während sie erst sich und schließlich mich auszog, hatte ich noch immer das Gefühl, auf der Stelle zu treten. Vielleicht tat ich es sogar, ich wußte es nicht. Melissa jedenfalls schien es nicht zu stören. Das aphrodisisch-berauschende Getränk zeigte längst auch bei ihr seine Wirkung. Ich kann nicht behaupten, daß wir anschließend kontrolliert miteinander schliefen. Wir gaben uns ausschließlich unseren Instinkten hin. Es glich dem Versuch, uns zu einem einzigen Organismus zu vereinen, ohne es wirklich zu schaffen. Jeder von uns besaß zehn Arme, zehn Beine, fünf Münder und fünf Schöße. Es war einzigartig, zumal wir uns nie voneinander lösten und dennoch unablässig bewegten. Vielleicht bewegte sich aber auch das Bett, und wir lagen still.
    Reinwasreinwasreinwas …
     
    Stunden mußten vergangen sein, als ich wieder erwachte. Ich lag auf der Seite, Melissas Kopf neben meinem Schoß und meinen eigenen zwischen ihren Schenkeln. Meine Ohren schmerzten vom Druck. Ich rollte mich auf den Rücken. Die Wirkung des Getränks hatte etwas nachgelassen; zumindest die aphrodisierende. Mein sinnbetäubter Zustand war nahezu unverändert. Noch immer drehte sich alles um mich. Ich wischte mir über die Augen und erschrak, denn die Maske war fort. Ich setzte mich auf und entdeckte sie am Fußende des Bettes. Melissa mußte sie mir abgestreift haben. Fraglich blieb, ob sie im Rausch erkannt hatte, wer ich war.
    Ich schlich ins Badezimmer und hielt meinen Kopf eine Weile unter kaltes Wasser. Es stach auf der Kopfhaut, belebte kaum meine Sinne. Solange ich die Augen geschlossen hielt, hatte ich das Gefühl, mein Kopf verteile sich mit dem Wasser im Waschbecken. Verdrossen drehte ich den

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