Lord Gamma
konnte. Den Fühler sah Prill im Moment natürlich noch nicht, ebensowenig das, was sie erfahrungsgemäß am meisten abschreckte.
»Was ist das?« wollte sie wissen, als ich neben ihr Platz nahm, und wich so weit vor dem Instrument zurück, wie es der Beifahrersitz zuließ.
»Ich nenne es den Schlüssel.«
Prill musterte das bizarre Gerät. »Und was … öffnet dieser Schlüssel?«
»Dein Bewußtsein – sofern du die bist, die ich suche. Sein Fühler dringt in dich ein wie der des Läufers in der Station.«
»Du …« Prill wurde kreidebleich. »Du willst mir dieses Ding in den Kopf stecken?«
»Es koppelt sich automatisch an. Schau.« Ich aktivierte das Gerät, und sechs bleistiftdicke Metalltentakel, die sich um Kopf, Wangen und Nacken legten und den Schlüssel am Hinterkopf fixierten, entwuchsen dem Rand der Schale. Aus dem Schlitz im Zentrum glitt langsam, suchend, der geschmeidige weiße Fühler, der wie eine Dolchklinge mit winziger goldener Spitze geformt war. Der Schlüssel ähnelte mit seinen Greifarmen nun einem grotesken Polypen, und damit begann das Problem. »Keine Sorge, es tut nicht weh«, beteuerte ich, als ich sah, wie Prill das Instrument anstarrte. »Deine Vorgängerinnen waren anfangs ebenso erschrocken, empfanden die Prozedur dann aber als sehr erotisch.« Ich ließ den Fühler wieder in die Scheide zurückgleiten. »Beug’ den Kopf ein wenig vor, damit dein Nacken frei liegt.«
Prill schüttelte den Kopf.
»Okay.« Ich legte ihr das Instrument auf den Schoß. »Freunde dich ein paar Minuten damit an.«
Frauengesichter besitzen ein schier unglaubliches Repertoire an mimischen Ausdrucksmöglichkeiten. Ebensogut hätte ich Prill einen halbierten Embryo oder einen Korb Skorpione in den Schoß legen können. Sie hob abwehrend ihre Arme, streckte die Beine aus und starrte den Schlüssel an, als ließe er sich allein Kraft ihrer Blicke aus dem Wagen schleudern und metertief im Wüstenboden vergraben. Ihre Haltung glich der unsinnigen Bemühung, möglichst viel Abstand zu dem Ding zu gewinnen, obwohl es auf ihr drauf lag. Prill spreizte die Beine, und der Schlüssel rutschte zwischen ihren Schenkeln auf den Sitz.
»Nimm das weg!« zischte sie. »Nimm es weg!«
Ich ergriff das Instrument, und Prill sank langsam auf ihren Sitz zurück. »Mach das nie wieder!« Ihre Stimme vibrierte mit einem drohenden Unterton.
Wie komprimiert man eine rücksichtsvolle Schock-Therapie auf eine Zigarettenlänge? Prill hatte eine Phobie vor Geschöpfen wie Riesenspinnen, Krabben oder Kraken. Alles, was mehr als vier Beine besaß und größer war als eine Fliegenklatsche, verfluchte und verteufelte sie in die tiefste Gehenna. Ob die Kreatur aus Fleisch, Metall oder Sauerteig bestand, spielte dabei keine Rolle, solange sie sich nur bewegte.
»Sieh her«, startete ich einen weiteren Versuch, setzte mir den Schlüssel an den Nacken und aktivierte ihn. Augenblicklich klammerte sich das Gerät fest und suchte mit seinem Fühler den Eingang in meinen nicht vorhandenen Cortexkanal. Ich wußte nicht, ob die Tatsache, an mir zu scheitern, das Instrument überfordern konnte. »Es ist wirklich nicht schlimm«, versicherte ich Prill und deaktivierte den Schlüssel, bevor er auf die Idee kommen konnte, mir ein Loch ins Genick zu bohren.
»Dir kann er ja auch nicht dieses Fühler-Ding in den Kopf stecken«, konterte sie. »Hast du denn eine Ahnung, wie es sich anfühlt, wenn ein Läufer an dir hängt und seine Zunge in deinem Hirn stecken hat? Du befreist mich von einer Maschine, nur um mir die nächste anzusetzen. Bist du denn bescheuert? Das laß ich nicht mit mir machen …!«
Und so weiter, und so fort.
Es dauerte eine halbe Ewigkeit, bis ich endlich Prills Vertrauen wiedergewonnen hatte und sie überreden konnte, über ihren Schatten zu springen. Während sie einen schier unerschöpflichen Vorrat angstgeborener Ausreden, Argumente und Vorurteile gegenüber der »neuen Metallkreatur« ins Feld führte, schwirrte mir am Ende nur noch der Kopf.
Als sich ihr die Tentakel um Stirn, Wangen und Hals legten und der Schlüssel sich an ihren Nacken schmiegte, gab sie eine undefinierbare Folge von Lauten von sich, die ihren ganzen Greuel vor dem Instrument ausdrückten. Ich konnte ihr die Angst nicht übelnehmen. Wer ließ sich schon gerne an eine obskure Apparatur anschließen, die einem gleichzeitig die Luft abzuschnüren und im Gehirn herumzustochern drohte? Prill machte ein Gesicht, als hätte sich eine Nesselqualle an
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