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Lord Gamma

Lord Gamma

Titel: Lord Gamma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
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Lebens auf einen Menschen angewiesen ist, der ihn durchs Leben navigiert. Aus diesem Grund, und weil ich ihn keinem anderen Menschen anvertrauen wollte als deinem Original und mir, war er an Bord. Er ist nicht mehr erzürnt oder enttäuscht, wenn ihm Schlechtes widerfährt, und ist zu keiner Begeisterung und Freude mehr fähig, wenn er etwas Schönes erlebt. Eins ist für ihn wie das andere, ein ständiger Gefühlsgleichklang, und alles ist in Ordnung. Für die Ärzte gilt er als geheilt, die Lords wähnten ihn gesund. Daher haben sie die nach wie vor in seinem Erbmaterial enthaltene genetische Information für seine Krankheit mitgeklont.«
    »Das ist also der Grund«, analysierte Prill. »Du haßt die Lords, weil sie unsere Persönlichkeit in gleicher Weise manipuliert haben wie die Ärzte die deines Bruders. Und du haßt uns Klone, weil wir brav und ergeben das sind, was wir sein sollen, und glauben, was wir glauben müssen; wie Hank. Weil du in uns tausendgestalt das siehst, was sie deinem Bruder angetan haben.«
    »Ja«, sagte ich zerknirscht. »Und weil ich mir in jeder Station ins Angesicht sehen kann, um zu wissen, was für ein lobotomierter Schoßhund ich sein werde, wenn die Krankheit auch bei mir ausbricht und irgendwann behandelt wird, sobald ich am Widerstands-Nullpunkt angekommen bin.«
    »Uns trifft keine Schuld an dem, was mit uns passiert ist«, sagte Prill. »Woher hätten wir es denn wissen sollen? Woher, Stan?«
    Ich stand auf und klopfte mir den Sand ab. Dann half ich Prill, aufzustehen, und sagte: »Komm, laß mich dir etwas zeigen.«
     
    Während ich den Tornister auf der Rückbank öffnete, beschäftigte sich Prill mit der Beifahrertür. Sie hatte beobachtet, wie ich diese von außen geöffnet hatte, um sie einsteigen zu lassen, indes man auf ihrer Innenseite vergeblich einen Türhebel suchte. Die Kunststoffmulde war noch vorhanden, aber der Hebel fehlte. Ich hatte ihn herausgebrochen, damit Prills Klone vor den Barrieren nicht einfach die Tür öffnen und sich aus dem fahrenden Wagen werfen konnten. Sie mußten erst außen zum Türgriff fassen oder über die Tür klettern, um auszusteigen. Beides war umständlich und kostete Zeit; wertvolle Sekunden, die ich benötigte, um rechtzeitig reagieren zu können.
    Was diese Prill jedoch gerade trieb, gefiel mir gar nicht. Sie hatte ihren Arm über die Tür gestreckt, öffnete diese, schlug sie wieder zu und öffnete sie erneut, so lange, bis sie den Griff an der Außenseite blind fand. Zufrieden ließ sie sich schließlich in den Sitz zurücksinken. Sie schaute sich nach mir um, und ich bemerkte im Augenwinkel, wie sich ihre Augen verengten, als sie sah, was ich dem Tornister entnahm. Als ich den Schlüssel zum ersten Mal ausgepackt hatte, hatte ich ihn für eine Art Atemschutzmaske gehalten. In seinem Ruhezustand wirkte er recht unspektakulär, ein elegantes, futuristisch geformtes Stück Metall, grünlich glänzend und wie aus einem Guß gefertigt. Er war nicht sonderlich schwer, kaum mehr als zwei Pfund, und ließ sich durch einen Fingerdruck aktivieren. Man konnte die Taste nicht sehen, denn sie lag unter der Metallhülle. Einmal aktiviert, wurde der Schlüssel zu einem metamorphen Instrument, das so anschmiegsam war wie Gummi. Er fühlte sich dann auf eigenartige Weise organisch an, wirkte wie ein lebendes Wesen aus Metall. Gamma hatte erzählt, der Schlüssel stamme aus einer Welt, in der keine tote Materie mehr existiere; selbst Stein oder Metall seien dort wie jedwede andere Substanz von Geist erfüllt und besäßen die Fähigkeit, sich selbst zu lenken und anzupassen. Der Schlüssel war dadurch noch lange nicht intelligent, trug kein Bewußtsein in sich und war auch nicht bis zum Platzen mit Biochips gefüllt, aber er besaß einen Instinkt, der ihn wissen ließ, was er zu tun hatte. Die Antwort, wie es möglich sein konnte, daß ein Gerät aus Metall eigenständig handelte, blieb mir mein Mentor bis heute schuldig, ebenso, von wem der Schlüssel stammte. Ich vermutete jedoch, es handelte sich um ein Artefakt der Lords.
    Was wie eine starre Metallmaske wirkte, war in Wirklichkeit eine Schale, die sich dem Hinterkopf anzupassen vermochte. An ihrer Unterseite befand sich ein zylinderförmiges Gehäuse, das den eigentlichen Schlüssel barg, eine Art halborganischen Fühler, ähnlich dem der Stationsläufer. Am Boden der Schale befand sich eine vaginaartige Öffnung, durch die er aus seinem Futteral in den Cortexkanal der Klone eindringen

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