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Lord Gamma

Lord Gamma

Titel: Lord Gamma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
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Sonnenuntergang. War das nur ein abgefeimter Schachzug Gammas, der meine Bemühungen beflügeln sollte, oder die Wahrheit? Die Lords ließen die Entführten frei, und ich saß hier in Hinternimmerland am Steuer eines schrottreifen Pontiac. Ich war im falschen Film!
    »Ich weiß, was du jetzt denkst«, bemerkte Gamma.
    »Ach, wirklich?«
    »Sei beruhigt. Eine unvollständige Rückführung der Originale hätte katastrophale Folgen. Es wäre womöglich der Tod für das Sublime! Du bist einer der wichtigsten Männer auf dieser Ebene – für beide Seiten.«
    »Aber die Versprechen, die ich Prill gab …«
    »Noch ist es nicht zu spät, ihr gegenüber dein Wort zu halten. Ich weiß, daß du Fragen hast, daß du das Motiv nicht verstehst, aber ich kann es dir nicht veranschaulichen, solange du dich in dieser Ebene befindest. Selbst, wenn wir uns gegenüberstehen werden, wird es mir schwerfallen, es dir begreiflich zu machen, denn du wirst mir nicht glauben wollen. Dein Verstand wird es dir verbieten. Aber du wirst es begreifen, wenn du es erst mit eigenen Augen siehst …«
    »Wenn ich was sehe?«
    »Das Sublime, Stan. Schule dich jetzt an der Waffe. Dann schieb endlich den Wagen wieder an, unsere Zeit verstreicht. Viel Glück, auf daß wir einander bald begegnen. Und falls nicht – leb’ wohl, Stan.« Einen Atemzug lang herrschte Stille. »Ach, noch etwas …«
    »Ja?« fragte ich.
    »Immer daran denken, daß du noch zwei Eier hast, Amigo!«
    Gamma verstummte mit einem Knacken, als hätte er den Stecker des Mikrophons herausgezogen, und Musik begann aus den Boxen zu rieseln. Ich saß lange gedankenverloren hinter dem Steuer, lauschte den Liedern, rauchte, wünschte mir eine Flasche Brandy oder einen guten Joint. Ich spielte mit dem Gedanken, einfach hier zu warten, bis irgend etwas passierte; bis mich die Läufer aufgriffen oder ich mit einem Mal dort war, wo ich eigentlich hingehörte: auf den Passagiersitz eines Flugzeuges, Seite an Seite mit Prill – und ohne Erinnerung an diese Retortenwelt und ihre Regenten. Ich hatte das Gefühl, der Boden unter dem Wagen würde langsam immer weicher werden, den Ponitac und mich zu verschlucken beginnen, um uns in ein unbegreifliches Darunter sinken zu lassen, das mit menschlichen Sinnen nicht mehr zu erfassen war. Ich schloß die Augen, glaubte bereits zu spüren, wie sich die Front des Wagens langsam nach vorne neigte. Gleichzeitig schienen sich meine Gliedmaßen aufzublähen und zu Stein zu erstarren, so schwer, daß ich keinen Finger mehr krümmen konnte. Ich besaß die Masse eines Pottwals, aber die Größe einer Maus …
    Irgendwann hielt ich es nicht mehr aus, riß die Augen und die Fahrertür auf und flüchtete aus dem Wagen. Auf die Erde, auf die Erde, läutete Gammas Stimme wie eine Kirchturmglocke in meinem Kopf wider. Ein paar Minuten wanderte ich ziellos durchs Gelände, stemmte wahllos Felsbrocken in die Höhe und warf sie brüllend davon. Ich stellte mich auf die Straße, sah hinauf und hinab, rannte den Mittelstreifen entlang, fühlte, wie diese geistige Lähmung langsam von mir abfiel. Erschöpft erreichte ich irgendwann wieder den Wagen, aß und trank von den Vorräten im Kofferraum. Danach fühlte ich mich etwas besser und verspürte große Lust, die ausgetrocknete Wüstenvegetation abzufackeln.
    Ich versuchte, eine Garbe Büffelgras in Brand zu setzen, aber es ließ sich nicht entzünden. Bei einem nahen Busch stieß ich auf das gleiche Phänomen. Nach einigen Versuchen stand fest: die Vegetation – so trocken wie Stroh – war feuerfest!
    Ich holte die eigenartige Waffe aus dem Wagen, lief einige Schritte und richtete sie auf eine unbestimmte Stelle des Wüstenbodens. Ich konzentrierte mich, aber die Gewohnheit ließ mich meinen Finger trotzdem gegen den Griff pressen. Kein Schuß war zu hören, ebensowenig spürte ich einen Rückschlag. Aus der Spitze der Waffe löste sich etwas, das aussah wie ein transparenter Strahl. Ich nahm ihn nur wahr, weil sich das Licht der Abendsonne in ihm brach wie in einem Prisma. Dort, wo er auftraf, verformte sich der Wüstenboden innerhalb eines Sekundenbruchteils zu einem farblosen Brei und löste sich auf. Was im Radius von etwa einem Meter übrig blieb, war ein die Sinne verwirrendes Flirren, das in den Augen schmerzte und Schwindel erzeugte, wenn man es länger betrachtete. Das Phänomen betraf sowohl den Boden als auch die Luft und wirkte, als hätte die betroffene Materie aufgehört zu existieren. Nach einigen Sekunden

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