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Lord Gamma

Lord Gamma

Titel: Lord Gamma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
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ihren Blick, das ich gar nicht mochte. Ehe ich es verhindern konnte, hatte sie mir in die Hand gebissen.
    »Du Arschloch!« rief sie empört, als ich sie schmerzerfüllt losließ. »Was bildest du dir ein? Nikobal hat dir ausdrücklich verboten, mich anzufassen!«
    Ehe ihr Gekeife den gesamten Wohntrakt auf den Korridor locken konnte, hielt ich ihr die Browning unter die Nase, führte den freien Zeigefinger an die Lippen und machte »Psst!«
    Das Mädchen wurde noch bleicher und schielte ängstlich auf die Pistolenmündung.
    »Lieber Gott!« flüsterte sie kleinlaut. »Ist die etwa echt?«
    Ich lächelte. »Natürlich. Dein Name ist Zoë, nicht wahr?«
    »Was soll die blöde Frage?« stutzte sie. »Hast du irgendwas geschluckt? Du guckst so komisch …« Sie studierte mein Gesicht, und mit jedem Quadratzentimeter Haut, den sie betrachtete, wurde ihre Miene eine Spur verstörter. Die Pistolenmündung, die eine Handbreit vor ihrem Gesicht schwebte, schien sie nicht mehr wahrzunehmen. »Woher hast du denn diese Narbe?« stotterte sie. »Und die da? Und die?« Nacheinander deutete sie auf meine Wange, mein Kinn, meine Stirn …
    Ich wischte ihre Hand mit der Pistole fort. »Das erzähle ich dir nachher. Du kennst mich gut, habe ich recht?«
    Zoë schluckte. »Sicher, Stan. Wir – sind verheiratet.«
    Volltreffer! Ich schloß für ein paar Sekunden die Augen.
    »Aber wir befinden uns in Separation«, fügte Zoë schnell hinzu und machte eine Bewegung, als wolle sie mich stützen. »Bist du sicher, daß mit dir alles in Ordnung ist?«
    »Alles bestens«, versicherte ich. Ich sah sie an und hielt ihr die Waffe vor die Augen. »Weißt du, was das ist?«
    »Eine Pistole.«
    »Und weißt du auch, wie sie funktioniert?«
    »Ja.« Das Mädchen wirkte wieder unsicher. »Glaube ich zumindest.«
    »Sie macht Löcher«, klärte ich sie auf. »Ziemlich häßliche Löcher. Tut verdammt weh. Willst du so ein Loch in deiner Stirn haben?«
    Zoë schüttelte stumm den Kopf.
    »Ich bin auch nicht hier, um dich zu erschießen. Aber glaub mir, ich habe nicht die geringsten Skrupel, es zu tun, wenn du mich dazu zwingst. Verstanden?«
    Ein Nicken.
    »Dann sei jetzt still und antworte nur noch, wenn ich dich etwas frage. Weißt du, wo mein Quartier ist?«
    »Ja, sicher.« Dabei schüttelte sie den Kopf, was wahrscheinlich meinem Verstand gelten sollte.
    »Gut. Dann gehen wir jetzt zu mir.«
    »Aber …«, rang Zoë nach Fassung, »das geht nicht! Nikobal hat es verboten, und Frederick erwart-«
    Ich hielt ihr erneut den Mund zu und drückte ihr die Pistolenmündung an den Hals. Tränen schossen in Zoës Augen, ihre Lippen bebten. Ihr Lippenstift war verschmiert, das Make-up zerrann.
    »Antworte nur auf meine Fragen«, erinnerte ich sie. »Frederick kann warten. Wir gehen zu mir! Ich brauche etwas Anständiges zum Anziehen, findest du nicht?« Ich schob sie von der Wand fort. »Du gehst voran. Und zwar mucksmäuschenstill! Vergiß nicht, ich ziele auf dein Rückgrat.«
     
    Zoë trippelte vor mir her wie eine ferngesteuerte Puppe. Ab und zu blickte sie kurz über ihre Schulter, als hoffe sie, mich nicht mehr hinter sich zu finden. Ich lief drei Schritte hinter ihr und ließ sie nicht aus den Augen. Es war ihr anzusehen, daß sie sich alles andere als wohl in ihrer Haut fühlte. Die Ungewißheit, was ich mit ihr im Sinn haben mochte, mein für sie befremdliches Auftreten, die Pistole in meiner Hand (ein Tabu, denn es gab offiziell keine Schußwaffen in den Stationen!) und meine scheinbare Gedächtnisstörung verwirrten sie. Sie hatte Angst vor mir, aber auch davor, Nikobals Verbot zu verletzen. Arme Sklavin. Dieser Nikobal hatte ihr also den Umgang mit mir verboten. Das ließ darauf schließen, daß er für Recht und Ordnung in der Station zuständig war. Einem Bewohner dieses Namens war ich aber in den anderen Kolonien noch nicht begegnet. Er mußte eine Autoritätsperson sein; vermutlich der Lord.
    Das Mädchen führte mich durch menschenleere Flure. Gemälde und Fotografien schmückten die Wände, Lüster spendeten warmes Licht. Hier und da standen Kommoden, Tische und Vitrinen, vor allem jedoch eine Unzahl von unscheinbaren bis übermannsgroßen Zimmerpflanzen, die ich mißtrauisch musterte. Das Ambiente erinnerte an ein Nobelhotel. Vor keiner der Türen, die wir passierten, machte Zoë halt. Ebensowenig öffnete sich eine von ihnen, um einen der Bewohner heraustreten zu lassen, was mich bald stutzig werden ließ. Über 600 Menschen

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