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Lord Gamma

Lord Gamma

Titel: Lord Gamma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
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Frau an einem unwirklichen Ort wie diesem, wieso mir etwas elementar Wichtiges fehlt, das mich als Menschen ausweist? Schönheitsoperation? Mutation? Retortenbaby? Geburtsfehler scheidet leider aus …
    Glauben Sie mir bitte, ich bin ein Mensch. Ich habe zwar keinen Kopf, aber sonst geht’s mir gut. Sie sehen doch, daß ich ein Mensch bin. Entschuldigen sie, daß ich Sie nicht sehe. Meine Augen sind in meinem Kopf, und der Kopf …na ja …Ich esse für mein Leben gerne Erdbeerkuchen. Wie das ohne Kopf funktioniert, wollen Sie wissen? Nur eine Frage der Improvisation … Wollen Sie etwa behaupten, ich sei kein Mensch, nur weil mir der Kopf fehlt? Ich bin schon ohne Kopf zur Welt gekommen, und das steht auch in meinem Ausweis. Hier, sehen Sie … Sie können das ja. Entschuldigen Sie das miserable Paßbild, das noch aus dem letzten Jahrtausend … ach, fuck it!
    Von den Narben weiß Seetha nichts, aber wie soll ich ihr beibringen, daß ich selbst ratlos bin, wo mein Nabel abgeblieben ist? Als ich ins Flugzeug gestiegen bin, war er noch da, erkläre ich ihr. Seetha kauert in einer Kabinenecke und verhält sich, als sei ich ein Don Juan von der Venus. Kein Bauchnabel, kein Mensch, so einfach ist das für sie. Natürlich hat sie recht. Wo soll ein Mensch ohne Nabel herkommen? fragt sie sich und ist entsetzt über ihren Intimverkehr mit einem Außerirdischen. Dummerweise besitzt sie selbst einen Bauchnabel. Die Situation ist also verzwickt. Mein Argument, daß sich mein eigener wahrscheinlich noch bildet, sobald das Flugzeug vollständig bestückt ist, beeindruckt sie herzlich wenig.
    Schweigend kleiden wir uns an. Als besagte Körperstelle verhüllt ist und Seetha sie nicht mehr vor Augen hat, beruhigt sie sich ein wenig. Vielleicht spürt sie auch, wie unangenehm mir die ganze Sache ist. Ich versichere ihr, daß ich mich wohl kaum entblößt hätte, wenn ich mir des fehlenden Nabels bewußt gewesen wäre. Seetha bleibt skeptisch, unterstellt mir, ich sei für alles mitverantwortlich, was mit ihr und dem entführten Flugzeug passiert. Sie will wissen, wer (und was) wir seien, ist überzeugt, alles sei Teil eines Experiments, dem wir sie unterziehen. Sie glaubt, wir hätten das, was um uns herum geschieht, von langer Hand geplant, und behauptet, meine Gefühle ihr gegenüber seien lediglich Schauspielerei. Schließlich sei ich bereits vor ihr hier drin gewesen und hätte sogar gewußt, wie sie heißt. Was hilft es, mich mit ihr zu streiten? Wir sitzen beide im selben Boot, und irgend jemand dort draußen erlaubt sich böse Scherze.
    »Also gut«, gebe ich schließlich zu. »Wir haben das Flugzeug entführt, um uns mit den Frauen zu paaren und ihre Männer zu kastrieren. Bald schicken wir euch zurück, in ein paar Monaten bekommt ihr alle Alien-Babys, und binnen kurzem werden dreihundert wahnsinnige Frühgeburten die Welt heimsuchen …«
    Ich lasse Seetha stehen und gehe in die Küche. Vielleicht finde ich eine Palette mit Bier.

 
Alphard 7
     
     
    ICH ÖFFNETE DIE AUGEN und blickte in den starren Abendhimmel. Zwischen den Wolken leuchteten Sterne. Sie flackerten nicht, waren statische Sprenkel am Firmament. Wo die Strahlen der tiefstehenden Sonne die Wolken trafen, tauchten sie sie in einen sanften Orangeton, der zum Horizont hin immer intensiver wurde und in einem flammenden Sonnenuntergang gipfelte. Dort war der Himmel pastellgrün, ging über in leuchtendes Rosa, dann Violett, schließlich Schwarz. Über mir und am gegenüberliegenden Horizont herrschte tiefe Finsternis.
    Ich setzte mich auf, sah mich um, fühlte mich wie an jenem Tag, als ich zum erstenmal auf dieser Welt, an dieser Straße, erwacht war. Hätte ich es nicht besser gewußt, so hätte ich vermutet, alles beginne von vorn. Damals parkte der Wagen allerdings am gegenüberliegenden Straßenrand.
    Das Radio dudelte leise vor sich hin, die zerborstene Windschutzscheibe war vollständig entfernt, ihre Einfassung abgebrochen. Sämtliche Glassplitter waren aus dem Innenraum beseitigt worden. Er wirkte wie ausgesaugt. Ich saß mit nacktem Oberkörper hinter dem Steuer, die Jacke, das blutgetränkte T-Shirt und der Schulterholster samt Browning lagen auf dem Rücksitz. Verwundert sah ich an mir herab, betastete die Stelle, an der – vor wie langer Zeit? – die Wunde geklafft hatte. Eine feine Narbe zeugte noch von ihr. Nun zierten mich derer fünf. Allmählich sah ich aus wie Frankensteins Monster. Auch meine Schulter war schmerzfrei und ließ sich

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