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Lord Gamma

Lord Gamma

Titel: Lord Gamma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
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die Fälschung nach gründlicher Begutachtung zusammen mit dem Honorarscheck zurück ins Kuvert und zerknüllte das Original. Dann verstaute ich Kopiergerät und Lampe wieder im Rucksack und beeilte mich, zurück in den Club zu kommen.
    Babalon konnte beginnen!
     
    Der weite Kreis, den die Anwesenden wenige Minuten vor 21 Uhr zu bilden begannen, erinnerte mich an die Wonnedrink-Zeremonie in der Moths- Station. Allerdings bezweifelte ich, daß es sich bei Babalon um ein Wettsaufen handelte. Das Kuvert hatte ich wieder in Brendans Jackentasche geschmuggelt (in die linke, wohlgemerkt, da die rechte durch Fredericks Nähe blockiert gewesen war), aus der er es nun verwundert hervorzog. Er faßte an die andere Tasche, wie um sich zu vergewissern, daß der Umschlag nicht gleichzeitig dort steckte, und betrachtete dann konsterniert das Kuvert. Als Frederick sich fragend an ihn wandte, schüttelte Brendan nur den Kopf und rang sich ein verlegenes Lächeln ab. Ich stand ein wenig abseits und beobachtete die beiden amüsiert. Manchmal geschahen schon wundersame Dinge.
    Brendan überflog die Liste, machte ein ratloses Gesicht und steckte sie wieder ein. Wahrscheinlich war es für ihn undenkbar, daß jemand sie fälschte, um freiwillig an Babalon teilzunehmen. Vielmehr betete jeder heimlich, daß der Kelch an ihm vorbeigehen möge. Das war auch den Gesichtern der Anwesenden abzulesen. Man munkelte und raunte, versuchte, seiner Anspannung durch Scherzen Luft zu machen, witzelte sich die Nervosität von der Seele oder stand einfach mit geschlossenen Augen in der Halle und ging in sich.
    Punkt 21 Uhr erlosch das Licht, die Musik und die Gespräche der Anwesenden verstummten praktisch in derselben Sekunde. Einige Augenblicke blieb es stockfinster, dann öffnete sich zu elektronischen Fanfarenklängen ein leuchtendes, kreisrundes Loch im Boden, das schnell an Größe gewann. Gleichzeitig stieg aus der Tiefe eine gewaltige, opalisierende Kuppel empor, umringt von zwölf übermannsgroßen, pechschwarzen Kugeln, in denen sich weder Licht noch Formen widerspiegelten. Die Kuppel war etwa vier Meter hoch und besaß einen Durchmesser von nahezu fünfzehn Metern. Es sah aus, als halte sie dichten Nebel gefangen. In Wirklichkeit war sie ein gigantischer Monitor, über den die Anwesenden das Geschehen in der zweiten Ebene mitverfolgen konnten. Die zwölf schwarzen Kugeln waren die Startsphären. Jede von ihnen würde später einen Spieler beherbergen.
    Nach und nach begannen die Anwesenden wieder, sich gedämpft zu unterhalten. Ich sah mich nach Nikobal um, konnte ihn aber nirgendwo entdecken. Vielleicht hielt er sich auf der gegenüberliegenden Seite der Kuppel auf.
    Eine Hand legte sich sanft um meinen Arm, eine Parfümwolke hüllte mich ein. »Auf wen setzt du?« flüsterte mir eine Stimme ins Ohr.
    Eine Frau um die fünfzig war neben mich getreten, sah mich erwartungsvoll an. Sie trug ihr Haar hochgesteckt, dazu ein rotes, ärmelloses, hauchdünnes Abendkleid. Als junge Frau mußte sie sehr attraktiv gewesen sein. Leider hatte sie danach zuviel Höhensonne genossen, was sie nun mit leidlichem Erfolg zu retuschieren versuchte. Zuviel Lidschatten, zuviel Rouge, zuviel Lippenstift. Was noch fehlte, war ein Schild auf ihrem Kopf mit der Aufschrift ›Tatü-Tata‹. Ich benötigte einige Sekunden, um auf ihren Namen zu kommen.
    »Hallo, Lynelle«, sagte ich. »Verzeih mir, ich war in Gedanken. Was möchtest du?«
    »Deine Tips«, antwortete die Frau und wedelte mit einem Zettel. »Für die Wetten.«
    »Ja, ich …« Lieber Gott, hilf! Wer war oben, wer unten? »Ich würde sagen, Todd.«
    »Hm«, machte Lynelle und notierte den Namen. »Und …?«
    »Und was?«
    »Na, weiter!«
    Ich versuchte, mir Fredericks Liste in Erinnerung zu rufen. »Robert und Cynthia …«
    Die Frau schrieb eifrig, doch nach ihrem Blick zu urteilen wartete sie auf mehr. »Na, komm schon, Stan, muß ich dir heute alles aus der Nase ziehen?«
    »Puh … wie viele haben wir?«
    Lynelle hob genervt die Augenbrauen, warf einen obligatorischen Blick auf ihren Zettel und sagte: »Immer noch drei. Fehlen also weiterhin drei.«
    »Okay. Rosa, Anna – und ich.«
    »Wow!« staunte die Frau. »Schlecht geschlafen? Na dann, viel Glück!« Sie notierte die restlichen Namen, küßte mich auf die Wange und wackelte zum nächsten Opfer. Ich wischte mir ihren Lippenstift ab, erdolchte sie mit meinen Blicken und sah dann zu Frederick und Brendan. Sie hatten eine niedrige Bühne erklommen

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