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Lord Gamma

Lord Gamma

Titel: Lord Gamma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
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und erwarteten die Aufmerksamkeit der Anwesenden. Vor ihnen erstreckte sich ein etwa drei Meter breites, halbrundes schwarzes Pult mit Mikrophon, womöglich so etwas wie ein Kontrollpult oder eine Computerkonsole. Ich verschränkte die Arme vor der Brust, blickte demonstrativ zur Bühne. Einige Minuten vergingen, ehe das letzte Raunen verstummt war, dann trat Frederick ans Mikrophon, tippte zweimal mit dem Zeigefinger dagegen, um seine Funktion zu prüfen, und verkündete: »Babalon heißt euch willkommen!«
    Nach einer kurzen Ansprache ließ er Brandan die Namen der Spieler verlesen. Ein paar der Betroffenen standen in Sichtweite. In ihren Zügen spiegelte sich Erschrecken oder kämpferische Entschlossenheit wider. Nach getaner Arbeit machte Brendan Platz für einen korpulenten Schatten, der bereits auf dem Podium gestanden haben mußte, doch erst in diesen Sekunden für die Umstehenden sichtbar wurde. Ich kniff die Lippen zusammen. Wieder ein zweitklassiger, aber gleichwohl effektiver Griff in die Trickkiste, der seine Wirkung nicht verfehlte. Die Bewohner applaudierten Nikobal, als er sich hinter dem Mikrophon aufbaute.
    Sich aus dem Wahrnehmungsbereich des menschlichen Auges auszublenden, war eine Spezialität der Lords. Sie brachten es sogar fertig, neben einem zu stehen und einem Gespräch zu lauschen, ohne daß man ihrer gewahr wurde.
    Der Lord lächelte und sah wie ein schwergewichtiger Diktator mit erhobenem Haupt auf sein Volk herab. Nach wie vor interessierte mich, aus welchem Gewebe ein Lord bestand. Muskelfleisch konnte es kaum sein, eher etwas, das einer Kugel oder Klinge kein verletzbares Ziel bot. Vielleicht setzten die Lords sich aus Myriaden winziger gebundener Organismen zusammen, die ihnen die Gabe verliehen, ihre Gestalt zu ändern. Denkender, außerirdischer Protozoenbrei, fähig, Form und Konsistenz zu wandeln, ein intelligenter Amöbenkuchen. Weiß der Teufel, was …
    »Liebe Freunde!« sprach Nikobal. Seine Stimme erinnerte an eine tief unter der Erde sprudelnde Quelle. »Die Welt verändert sich, und wir verändern uns mit ihr. Die Schöpfung ist zu einem wilden Tier geworden, das beißt, wenn man ihm zu nahe kommt. Viele von euch träumen vom Land hinter dem Horizont, von dem Tag, an dem wir uns den Herausforderungen dieser neuen Welt stellen und die erste Stadt dieses neuen Zeitalters errichten werden.« Er machte eine Pause, blickte die Anwesenden lange an. »Ja, es gibt einen Horizont, und er wartet auf euch – auf jene, die eines Tages diese Station verlassen und den Grundstein für unsere Zukunft legen werden. Babalon wird diese Pioniere unter euch finden!«
    Applaus brandete auf. Nikobal wartete mit stoischer Ruhe, bis das letzte Klatschen und Tuscheln verstummt war. »Eine neue Runde steht unmittelbar bevor«, fuhr er fort. Sein Blick kreuzte eine Sekunde lang den meinen, wanderte dann weiter, als wäre es zufällig geschehen. »Doch heute, meine Freunde, feiern wir ein Jubiläum: das fünfzigste Turnier!« Wieder Jubel und Ovationen, wie auf Bestellung. Ich klatschte lustlos mit. Schön für Nikobal, so viele Freunde zu haben. In excelsis Magus. Es grenzte fast an falsche Bescheidenheit, daß bei all der ihm entgegengebrachten Gunst kein Glorienschein über seinem Haupt leuchtete. »Und nun«, gebot der Lord würdevoll, als sich der Beifall gelegt hatte, »tretet in eure Sphären – und laßt Babalon beginnen!«
    Unter dem rhythmischen Klatschen der Bewohner verschwand ein Spieler nach dem anderen in seiner Kugel. Sie liefen einfach durch die Kugelhüllen, geradezu würdevoll, wie stolze Samurai, ohne irgendwelche Klappen oder Reißverschlüsse zu öffnen. Ich spürte, wie mir der Schweiß auf die Stirn trat, starrte sekundenlang reglos auf die undurchsichtige Oberfläche meiner eigenen Sphäre, bis die Reihe an mir war.
    Die Kugeln waren womöglich Hologramme oder vielleicht Elemente einer jener unbegreiflichen Lord-Apparaturen, ähnlich dem Schlüssel oder der sensitiven Strahlenwaffe. Ich konnte so mühelos durch die Außenhaut meiner Sphäre hindurchlaufen, als wäre sie eine riesige Seifenblase. Der Beifall der Zuschauer riß abrupt ab. In der Kugel herrschte vollkommene Stille und Dunkelheit. Ich streckte meine Hände aus und ertastete unnachgiebige Wände. Von innen war die Sphäre stabil. Sie zu verlassen schien durch reine Körperkraft nicht mehr möglich zu sein. Wenn dies eine ausgeklügelte Falle war, so mußte sie bereits bei meiner Begegnung mit Zoë begonnen haben

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