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Lord Gamma

Lord Gamma

Titel: Lord Gamma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
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daß ich den Ball über den Grund bis aufs Trockene rollen konnte. Im Nu trug seine gesamte Außenhaut einen Gürtel aus Sand. Ich drückte und schlug gegen die Luke, aber sie widerstand meinen Bemühungen. Einen Öffnungsmechanismus erkannte ich nicht. Ich bewegte die Sphäre solange, bis sich die Luke auf dem Boden befand, stellte mich auf sie, legte meine Hände gegen die Decke der Sphäre und stemmte diese nach oben. Unter mir ertönte ein Geräusch, als ziehe man einen riesigen Saugnapf von der Wand, und kühle Luft strich um meine Waden. Die Luke war offen. Ich bückte mich, hob den Ball an und schlüpfte rückwärts aus ihm heraus. Aus meinem Gefängnis befreit, richtete ich mich auf und blickte in das Gesicht eines meiner Kontrahenten. Er lächelte für eine Sekunde, dann krachte seine Faust gegen mein Kinn …
     
    Als ich wieder zu mir kam, zählte ich neun leere Sphären, die – teils am Strand liegend, teils auf der Brandung tanzend – von ihren Insassen zurückgelassen worden waren. Ich massierte meinen schmerzenden Kiefer und erhob mich. Drei Spieler waren noch damit beschäftigt, die Insel zu erreichen, ein weiterer lag ebenfalls niedergestreckt in meiner Nähe, und zwei erklommen an verschiedenen Stellen den Steilhang. Also waren bereits fünf Spieler auf dem Weg zur Mauer. Und es konnte nur sechs Gewinner geben. Ich sollte mich also beeilen.
    Ich wusch mir das Blut vom Gesicht und lief zur Klippe. Die Steilwand emporzusteigen gestaltete sich weniger schwierig, als ich befürchtet hatte; wenigstens solange ich beim Klettern nicht nach unten sah. Das Gestein war porös und von tiefen Rissen durchzogen, die den Fingern und Zehen Halt boten. Was mich jedoch zur Weißglut brachte, war eine Frau, die die Klippe nach mir erreicht hatte und, statt ebenfalls emporzuklettern, damit begann, mich mit Steinen zu bewerfen. Wahrscheinlich erhoffte sie sich einen Vorteil, wenn ich mir beim Sturz die Beine brach. Während ich acht Meter über dem Boden damit beschäftigt war, den Wurfgeschossen auszuweichen, erreichten die beiden Männer, die sich vor mir in der Wand befanden, sicher das Hochterrain und verschwanden aus meinem Blickfeld. Nun waren es sieben, die auf und davon waren. Die Frau am Fuß der Klippe kreischte bei jedem Steinwurf wütend auf, unternahm aber weiterhin keine Anstalten, den Aufstieg zu beginnen. Zum Glück zielte sie nicht besonders gut, so daß mich nur eines ihrer Geschosse an der Hüfte traf. Dann war auch ich oben angelangt, zog mich an Wurzelsträngen auf sicheren Boden und warf der Furie am Klippenfuß zum Abschied eine Kußhand zu.
    Die Prellung an der Hüfte schmerzte, ebenso die Schürfwunden, die ich mir beim Klettern zugezogen hatte. Zur Festungsmauer waren es noch etwa fünfhundert Meter. Das von hohem Gras bewachsene Gelände war von Felsbrocken übersät. Einen meiner Kontrahenten sah ich weit voraus rennen, vom zweiten fehlte jede Spur. Ich entdeckte ihn auf halber Strecke zur Festung im Gras liegend. Er blutete aus einer Platzwunde am Hinterkopf, lebte aber noch. Wie es aussah, hatten die Spieler viel zu gewinnen – oder viel zu verlieren, sonst würden sie nicht in zunehmendem Maße übereinander herfallen.
    Endlich an der Mauer angelangt, fühlte ich mich, als hätte ich am New York-Marathon teilgenommen. Meine Lungen schmerzten, Krämpfe quälten meine Beine. Ich konnte kaum noch aufrecht stehen. Von meinen Mitspielern war keine Haarspitze mehr zu sehen. Es schien, als hätte das Gestein sie verschluckt. Ich blickte an dem unüberwindlichen Bollwerk empor. Auch jetzt war keine Lücke im Gestein auszumachen. Granitquader, so groß wie Einfamilienhäuser, schlossen lückenlos aneinander, ohne Durchlässe oder Fenster, Nischen oder Scharten. Das Gestein war glattpoliert, wies keine Vorsprünge oder Kanten auf. Ich schlug dagegen; es war massiv, keine Kulisse. Wohin, zum Kuckuck, waren die anderen verschwunden?
    Ein Blick zur Küste zeigte mir, daß ich bald Gesellschaft bekommen würde. Der zu Boden Geschlagene hatte sich erhoben und kam heraufgetorkelt, und die hysterische Zicke hatte ihre Höhenangst überwunden und ebenfalls das Hochterrain erreicht. Beide wirkten nicht sonderlich gut gelaunt. Feine Aussichten.
    Ich wandte mich nach rechts und begann, einem ausgetretenen Pfad zu folgen. Ein gelegentlicher Blick über die Schulter zeigte mir, daß meine beiden Kontrahenten ihrerseits am Bollwerk angelangt waren, aber mich nicht verfolgten. Der kaum merkliche Bogen, den der

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