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Lord Gamma

Lord Gamma

Titel: Lord Gamma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
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vernahm undeutlich Sebastians Stimme, konnte ihm aber nicht antworten, da mir der Hals zugedrückt wurde. Schließlich rutschte ich kopfüber in den Bach, zappelte im Wasser, schaffte es, mich auf die Knie zu erheben, um – noch immer nicht atmen zu können. Was mich umschlang, war nichts Geringeres als eine ausgewachsene Boa!
    Ich schüttelte und wand mich und versuchte, den Kopf des Reptils zu fassen zu kriegen, konnte jedoch nicht richtig nach ihm greifen, da mein linker Arm vom Schlangenleib gegen meinen Körper gepreßt wurde. Bei meinen Bemühungen fühlte ich unvermittelt einen stechenden Schmerz am linken Unterarm und hatte gleichzeitig das Gefühl, mir platze vor lauter Druck der Kopf.
    Die Schlange hatte sich in meine Armmuskeln verbissen. Ich konnte ihren Kopf sehen, war aber kaum noch in der Lage, mich zu bewegen. Meine Ohren erfüllte ein unglaubliches Rauschen, das selbst Sebastian übertönte, der ebenfalls das Bachufer erreicht hatte und mich anbrüllte. Was hier geschieht, ist nicht wahr, schrie eine Stimme in mir. Es kann sich unmöglich wiederholen! ES KANN SICH NICHT WIEDERHOLEN!
    Ich stürzte nach vorn, kroch durchs Wasser, hatte das Gefühl, mir selbst dabei zuzusehen, wie ich einen kopfgroßen Kiesel vom Bachgrund ergriff. Der Schmerz in meinen Lungen, der Druck um Hals und Brustkorb ließen grelle Lichtkreise vor meinen Augen aufblitzen. Ich fühlte mich wie ein kleines Männchen, das im Kopf eines riesigen menschlichen Roboters saß und diesen mit Hebeln und Schaltern lenkte. Durch ein Panoramafenster im Roboterkopf konnte ich sehen, wie der Roboter seinen linken Unterarm, in den sich die Schlange verbissen hatte, auf einen großen Felsen legte und mit dem Stein begann, wieder und wieder auf den Schädel des Reptils einzuschlagen, bis dieser zu einer formlosen Masse aus Blut, Fleisch und Knochen zermalmt war. Ich registrierte in meinem Kontrollzentrum, daß sich der Druck des Schlangenleibes um den Roboterkörper lockerte, zwang den Roboter per Knopfdruck zu atmen, zu atmen, zu atmen, zu atmen …
     
    »Bist du okay?« vernahm ich Sebastians Stimme über mir.
    Ich sah auf, erkannte schemenhaft seine Gestalt. Mit zitternden Händen wischte ich mir die Tränen aus den Augen. »Frag mich das in einer Stunde noch mal.«
    »In einer Stunde hast du Babalon verloren.«
    Ich packte ihn am Arm, zog mich auf die Beine. »Warum hast du mir nicht geholfen?« beschwerte ich mich atemlos.
    »Es war nicht nötig, denn du bist hier.«
    Ich sah Sebastian verärgert an. »Natürlich bin ich hier, was für ein dämliches Argument.«
    »Reg’ dich ab«, sagte Sebastian. »Du weißt ganz genau, was ich meine. Sieh dir an, womit du gekämpft hast …«
    Im Bach trieb eine armdicke Liane. Keine Spur von einer Boa, kein Blut auf den Felsen. Ich betrachtete meinen Unterarm. Eine Reihe kleiner, roter Löcher, aus denen unentwegt Blut rann, verunzierte ihn. Von Sebastian gestützt, erreichte ich unsicheren Schrittes den Pfad, setzte mich auf einen Baumstumpf.
    »Es war eine Schlange«, beharrte ich.
    »Wirklich? Ich habe nie davon gehört, daß Boas einem Menschen an die Kehle springen«, erwiderte Sebastian.
    »Das hat sie auch nicht getan.« Ich massierte meinen Hals. »Jedenfalls nicht von allein. Man hat sie auf mich geworfen.«
    »Ach?« Mein Begleiter sah sich um. »Wer denn? Ich habe niemanden gesehen. Wer immer das war, muß sie ganz schön weit geworfen haben.«
    »Er stand nur ein paar Meter von mir entfernt. Ein Indio. Oder – ach, was weiß ich. Wenn ich daran denke, daß Dutzende dieser Kerle um uns herum sind, dann verspüre ich keine große Lust, länger hier zu verweilen.«
    »Du glaubst nur, daß sie hier sind. Dein Verstand erschafft sie, Babalon läßt sie real werden, wie die Schlange. Denke nicht an sie, und es gibt sie nicht.«
    »Der Schmerz ist verdammt real«, verteidigte ich mich.
    »Weil dein Verstand ihn dir befiehlt«, konterte Sebastian. »Du hast das schon einmal erlebt, habe ich recht? Es war nur eine Wiederholung deiner Vergangenheit, nicht wahr?«
    »Ich wußte nicht, wie ich es verhindern sollte«, knirschte ich. »Weil ich es nicht glauben konnte.« In wenigen Sätzen erzählte ich Sebastian, was sich damals ereignet hatte, und sein einziger Kommentar dazu war: »Du hättest also wissen müssen, daß es glimpflich ausgeht.«
    »Es kann nicht sein, daß sich etwas exakt auf dieselbe Weise wiederholt. Daß sich dasselbe Erlebnis wiederholt …«
    »Das ist Babalon, Stan.« Mein

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