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Lord Gamma

Lord Gamma

Titel: Lord Gamma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
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Begleiter lächelte ein wenig verlegen. »Du könntest es auch Traumata nennen. Oder Arena der Seelen. Hier wirst du mit deinen Abgründen konfrontiert, trittst gegen dich selbst an. Wäre es nur ein banaler Wettkampf, hätte die Schickeria in der ersten Ebene kein Vergnügen an der Sache. Diese Meute will Sensationen.«
    »So, so«, knurrte ich verächtlich. »Ein virtueller Circus Maximus.«
    »Bitte?« fragte Sebastian.
    »Nichts.« Ich schüttelte den Kopf und dachte nach. »Wenn es so ist, wie du behauptest, dann dient dieses Spiel noch einem anderen Zweck. Es ist zu komplex, erinnert mich fast an eine Psychotherapie.« Ich sah Sebastian an. »Ja, das könnte es sein! Amüsement, Wettkampf und Gehirnwäsche in einem, das entspricht ganz ihrem Intellekt …«
    Sebastian machte ein verständnisloses Gesicht. Ich winkte entschuldigend ab. Mir stand nicht der Sinn danach, ihn bezüglich der Lords und ihrer Motive einzuweihen, zumal über dreihundert Ohrenpaare vor der Monitorkuppel zuhörten. Anstrengend genug, es Prill ständig zu erklären. Was mir allerdings nicht aus dem Kopf ging, war Gammas Bemerkung, daß die Klone das Fundament einer – neuen? – Zivilisation bilden sollten. Nachdem die körperliche Unversehrtheit der Entführten Bedingung gewesen war, lag es nahe, daß die Lords für ihre Geschöpfe auch geistige Gesundheit anstrebten. Eine Zivilisation von Individuen, die schwarze Flecken auf ihrer Seele trugen, schien ihnen ebensowenig dienlich wie physische Gebrechen.
    Ich dachte an Hank, einen Musterfall in Sachen Labilität. Mit Sicherheit hauste er ebenfalls hier unten. Argwöhnisch äugte ich in die Baumwipfel. »Falls du recht hast, würde ich gerne eine lichtere Stelle suchen.« Ich blickte ins Unterholz. »Was schwierig werden dürfte«, fügte ich hinzu. Ich begann, am Hang herumzukriechen. Ab und zu pflückte ich Gräser und Kräuterhalme, die ich im Mund zu einem Brei zerkaute und über der Wunde verstrich.
    »Interessant«, kommentierte Sebastian. »So ein Verhalten hab ich bisher nur Vierbeinern zugetraut.«
    Ich ging nicht darauf ein. Mit Blättern deckte ich die Bißwunde ab, umwickelte sie mit dünnen Ranken und wartete, bis der Schmerz erträglich wurde. »Wie weit ist es noch bis zu dieser Brücke?« fragte ich.
    »Das hängt davon ab, wie groß dein Geist den Wald werden läßt.« Er ließ den Arm schweifen. »Und was dein Kopf noch für Stolperfallen für dich bereithält.«
    »Wie weit?«
    Sebastian deutete bergauf. »Würden dort keine Bäume stehen, könnten wir sie bereits sehen, am Ende des Pfades.«
    »Okay«, murmelte ich. »Beeilen wir uns, ehe …«
    »Ehe was?«
    »Nichts – hoffe ich.«
    Sebastian lief mir nach und hielt mich am Arm fest, als ich begann, den Hügel hinaufzuhetzen. »Du kannst sie nicht schneller erreichen, indem du rennst«, sagte er. »Dadurch wird der Weg nur länger. Babalon kennt deine Vergangenheit. Es weiß, was du weißt, und konstruiert es gegen dich. Zeit spielt hier weit weniger eine Rolle als Weitsicht. Deine Kontrahenten verteidigen im Augenblick vielleicht ihr Leben in der irakischen Wüste oder stekken in einem brennenden Hochhaus im Fahrstuhl oder kämpfen sich durch einen Monsterstau in Philadelphia. Sie sind alle mit sich selbst beschäftigt. Hinzu kommt, daß ich nicht bei ihnen bin.«
    »Und warum bist du ausgerechnet bei mir?«
    »Weil ich beauftragt wurde, mich um dich zu kümmern.«
    In mir heulte eine Alarmsirene. »Beauftragt? Etwa von Frederick, oder von Nikobal persönlich?«
    »Ich kenne weder seinen Namen noch seine Beweggründe. Zugegeben war ich äußerst überrascht, als du vorhin tatsächlich vom Ufer hochgetrabt kamst. Dachte, es wäre eine List der Oberschicht, um mich bloßzustellen.«
    Ich musterte Sebastian eine Weile. Dann fragte ich: »Wie sah er aus?«
    Mein Begleiter verzog die Mundwinkel. »Ziemlich abgerissen. War vielleicht einen Kopf kleiner als du, trug eine Sonnenbrille und einen Billigkoffer und hielt mir ein Foto von dir vor die Nase. Sah aus wie ein Bonsai-Killer.«
    »Ein Morner!?«
    »Oh, du kennst ihn …«, meinte Sebastian. »Na, dann ist doch alles in Butter.« Er grinste. »Laß uns nun den dunklen Fleck in deiner Seele besuchen. Die Schickeria lechzt nach Blut.«
     
    Die Strecke, die wir mittlerweile zurückgelegt hatten, entsprach einem Marsch um die gesamte Insel. Wir hätten längst auf die gegenüberliegende Mauer stoßen müssen.
    »Hat es einer von euch je geschafft, seine Vergangenheit

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