Lord Gamma
ebenfalls herbei. Mein Begleiter unternahm keine Anstalten, sich zur Wehr zu setzen.
Ich hatte erneut das absurde Gefühl, mein eigener Zuschauer zu sein, mein Bewußtsein in den Hintergrund gedrängt zu haben. Es wurde zu einem Voyeur, der sich an seinem eigenen Schrecken ergötzte und das Geschehen aus meinen Augen heraus verfolgte. Sebastian wurde auf der gegenüberliegenden Seite des Baumes plaziert, dann zwang man unsere Arme um den Stamm und band unsere Handgelenke aneinander. Da saßen wir nun gefesselt im Dreck. Unsere Kleider wurden zerrissen und unsere Oberkörper entblößt. Zumindest ging ich davon aus, daß Sebastian das gleiche widerfuhr wie mir. Mein Brustkorb war – makellos! Das konnte nicht wahr sein … er war glatt, als warte er nur darauf! Ich sah Sebastian nicht, aber die Geräusche auf der anderen Seite des Baumes sprachen für sich. Das hatte er nun davon. Ertrug es tapfer, ohne sich zu mucksen. Tapferer Idiot, tapferer Narr. Würde ihn schon noch schreien hören, wenn sie in seinem Fleisch herumkrochen. Noch immer hatte keiner der Indios ein Wort verloren.
Einer von ihnen legte mir seine Machete unters Kinn, und ich pißte mir in die Hosen. Irgend etwas quietschte, als die Klinge meine Brust berührte. Der Baum? Sebastian? Noch ein Quietschen. Entwürdigend. Es war ein Ton, der aus meiner eigenen Kehle drang! Er klang jämmerlich, doch zu mehr war ich nicht fähig. Oder sollte ich es noch einmal in Spanisch versuchen? Sebastian, tapferer Sebastian, er hatte bestimmt das Bewußtsein verloren, das Weichei. Warum war er nicht davongerannt? Bei weitem besser, als hier zu sitzen. Alles warm um meine Hüften. Virtual Reality-Pisse. He, ihr Gecken da oben vor den Monitoren, habt ihr euren Spaß? Treibt ihr es mit euren Alten, während ihr uns zuschaut, freßt Kaviar und sauft Champagner? Gottverfluchtes Babalon!
Der Indio zog die Klinge über meine Brust bis hinab zum Schambein. Ich hörte meinen Schrei – vielleicht war es auch der Sebastians. Unser Simultanschrei? – Wie höllisch es schmerzt, wenn man sich mit den Küchenmesser in den Finger schneidet. Zipp, und ein paar hundert Nerven sind entzwei. Ahnt jemand, wie weit es von der Brust bis zum Schambein ist? Allmächtiger! Der Schnitt war nicht besonders tief, nicht lebensgefährlich. Keiner von uns würde daran verbluten. Maßgeblich war allein, daß wir bluteten! Zweiter Schnitt. Zog die Klinge extra langsam über die linke Brustwarze hinunter, der Schweinehund. Er saß auf meinen Beinen, hoppelte auf und ab. Hoffentlich prellte er sich bei meinem Strampeln die Eier. Hört ihr, Leute, hier werden Schweine geschlachtet! Ich lachte. Ich lachte wirklich, als er den dritten Schnitt setzte. Ich glaubte zumindest, daß es ein Lachen war. Ich bellte wie ein gehäuteter Kojote.
Minutenlang ließ man uns allein. Den Schmerz und mich. Das Blut stank. Mein Blut. Sebastians konnte ich nicht riechen. Kein Ton von der anderen Seite. Der Schmerz wurde zu drei eiskalten Streifen auf meiner Haut, die pulsierten, pochten, mich quälten, wenn ich atmete. Tief einatmen, und die Wunden klafften auf. Ausatmen, und die zerschnittenen Nervenenden berührten einander. Die Indios hatten um den Baum herum Fackeln in den Boden gesteckt. Mein Blick war tränenverschleiert, der Rotz tropfte mir übers Kinn in die Wunden. Ich wünschte, in dem Gefäß, das der Indio vor sich hielt, wäre Morphium. Es war aus den Rückenpanzern zweier kleiner Schildkröten gearbeitet. Ihre Bauchseiten hatte man abgesägt und die zwei Rücken miteinander verklebt. So bildeten sie ein stabiles, taschenartiges Gefäß.
Natürlich enthielt der Behälter kein Morphium. Hundert ellenlange Schnitte in mein Fleisch hätte ich ertragen wollen, um diesen Behälter verschlossen zu halten. Die Wunden in meinem Fleisch waren das geringste Übel. Das eigentliche Grauen befand sich in den Schildkrötenpanzern. Der Indio öffnete das Gehäuse, indem er den Holzpfropfen aus der Hornscheide zog. Er klopfte einen Teil des Inhalts in seine Handfläche und rieb das weiße Zeug in meine Wunden …
Ich spürte sie schon. Ich fühlte ihre winzigen Küsse in meinem Fleisch…
O, verdammt, nicht schon wieder …!
Naos 7
SCHON WIEDER DER ZWERG mit dem Koffer. Ich tue so, als habe ich ihn noch nicht bemerkt, starre auf die beigefarbene Rückenlehne vor mir. Seit wann sitze ich hier? Ich kann mich nicht erinnern, wann ich Platz genommen habe, fühle mich, als sei es bereits Jahre her. Die ganze
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