Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lord Gamma

Lord Gamma

Titel: Lord Gamma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
Vom Netzwerk:
Betreten der Maschine durchquert. Er ist Teil eines Treppenhauses, das die drei Stockwerke des Flugzeugs miteinander verbindet. Allerdings fehlt die Treppe, die ins Unterdeck führt. Zu beiden Seiten des Treppenfußes erheben sich ovale Säulen, hinter denen kurze, schmale Korridore abzweigen. Sie enden an zwei neuen Passagen, die mit Portieren verhängt sind. Dahinter ist kein Laut zu hören.
    Beidseitig der Treppe sind unter Kunststoffhauben weitere Satellitentelefone angebracht. Gegenüber der Treppe, die von der oberen Kabine herabführt, befindet sich ein schmalerer Aufgang, der vor einer türlosen Wand endet. Über ihr hängt ein Schild mit der Aufschrift NO ENTRANCE.
    »Dort muß es zum Cockpit gehen«, mutmaßt Seetha im Flüsterton. »Aber wo sind die Türen?«
    Ich sehe mich um. Seetha hat recht. An beiden Kabinenwänden klaffen etwa eineinhalb Meter breite Lücken in den Fensterreihen. Auf der einen Seite leuchtet knapp unterhalb der Raumdecke der Schriftzug EXIT, auf der gegenüberliegenden Seite steht ENTRANCE. Zwei blaue Doppellinien markieren rechteckige Flächen, in denen sich eigentlich die Türen hätten befinden sollen. Aber die Wände sind ebenso glatt wie die Barriere vor dem Cockpit und die Lücken für die Notausgänge im Oberdeck. Bleiben also nur die mit Portieren verhängten Passagen.
    »Du links, ich rechts«, weise ich Seetha im Flüsterton an.
    »Ich denke gar nicht daran!« beschwert sie sich. »Wer weiß, was dort drin lauert? Ich gehe unter keinen Umständen allein.« Sie wirft mir einen undefinierbaren Blick zu. »Besitzt du etwas, das du als Waffe benutzen kannst?«
    »Ja, dich.«
    Seetha funkelt mich an.
    »Ich hatte eigentlich geglaubt, daß du mich beschützen würdest«, grinse ich.
    »Oh, ganz sicher«, nickt Seetha.

 
Alphard 10
     
     
    WIEDERGEBURT. Ich widmete diesen Augenblick Walter. Er war Lebensmittelchemiker an der Universität von Bloomingdale. Sein Beruf hatte ihn dazu verdammt, kaum noch etwas essen zu können, ohne daran zu denken, was er gerade aß. Er hatte sich schließlich aus Ekel erschossen. Ich widmete diesen Augenblick Kenny, der für seinen schwarzen Humor bekannt gewesen und dem die Pest der Neuzeit zum Verhängnis geworden war. Er hatte sich in einem dunkelgrünen Sarg beisetzen lassen, mit der verzierten Aufschrift: After Aids. Und ich widmete diesen Augenblick den Krähen, die stets bemüht sind, der Vernunft ein Auge auszuhacken.
    Ich blinzelte in ein verdutztes Gesicht.
    »Heiliger Strohsack«, flüsterte Sebastian. »Dachte schon, du hättest den Löffel abgegeben. Wie hast du das geschafft?« Er stierte mich an, als hätte er einen Maxwellschen Dämon in einem Whiskeyglas entdeckt. »Ich meine, wer hat dir das beigebracht?«
    Ich fragte: »Was?«
    »Na, diese Art von Meditation.« Sebastian hob in einer fast hilflosen Geste die Hände, sah aus wie ein Pfaffe bei der Andacht. »Das hier«, sagte er.
    Ich setzte mich auf, sah mich um. Der Dschungel war verschwunden, ebenso die Indios und die toten Gardisten. Kein Gesang tropischer Vögel mehr, keine brüllenden Affen. Stille allenthalben. Mein Overall war wie der Sebastians völlig zerrissen. Ich betastete meine Brust: keine klaffenden Wunden, kein Blut – aber auch keine häßlichen Narben! Der Schock, daß Nikobal mein Bewußtsein in den Körper eines Klons transferiert haben könnte, währte nur kurz, besaß ich doch einen menschlichen Nabel. Von der Wunde an meiner Schulter zeugte nur noch der durchtrennte Stoff. Mein rechter Unterarm brannte, als wäre er wund. Ich zog den Ärmel hoch und entdeckte eine sonderbare Anordnung von Kratzspuren, beinahe wie Schriftzeichen. Wo sie prangten, war die Haut leicht geschwollen. Ich erkannte keinerlei Sinn in ihnen und zog den Ärmel wieder darüber.
    Uns umgab lichter Wald, durchzogen von Trampelpfaden, die kreuz und quer durch leicht abschüssiges Terrain führten. Die Bäume wuchsen in großen Abständen, umgeben von knöchel- bis kniehohem Gras. Mein erster Gedanke entsprang einer emotionalen Assoziation. Ich dachte: Garten Eden, aber ich sprach es nicht laut aus. Meine Umgebung glich mehr einem Park, und ich relativierte Eden zu einem der vielen Arboreten, die innerhalb der Stationen angelegt waren. Dennoch: für ein Arboretum war die Landschaft verdammt weitläufig.
    »Wo sind wir?« fragte ich.
    Sebastian fragte zurück: »Na, was glaubst du wohl?« In sein Gesicht war wieder etwas Farbe zurückgekehrt. »Immer noch an Ort und Stelle«, erklärte

Weitere Kostenlose Bücher