Lord Garrows widerspenstige Braut
sonst? Ist Garrow gut zu dir?"
Sie lächelte. "Er ist der beste Mann, den man sich wünschen kann. Du hast eine hervorragende Wahl für mich getroffen, Vater. Er hat sich nur gerade schrecklich über mich aufgeregt, wegen …"
Ihr Vater warf einen Blick auf die Skulptur. "… der Figur hier?" vollendete er ihren Satz.
"Ja. Ich habe sie ohne sein Wissen an Monsieur Aubert, einen bekannten Kunsthändler, geschickt. Monsieur Aubert sollte ihren Wert für mich schätzen. James hat die Skulptur gemacht, weißt du."
"James hat die Skulptur gemacht? Das überrascht mich. Er wirkt gar nicht wie ein Künstler."
"Oh, er ist sogar ein sehr gefragter Künstler, wenn man Monsieur Aubert Glauben schenken darf. Allerdings habe ich diese Figur falsch gedeutet. Und deswegen ist James jetzt zornig. Und natürlich auch deswegen, weil ich sie schätzen ließ, ohne ihn vorher um Erlaubnis zu fragen."
"Interessant. Wieso hast du die Statue falsch interpretiert?"
"Ich dachte, sie symbolisierte die Schwierigkeit, die es Frauen bereitet, sich aus ihrer Knechtschaft zu befreien."
Der Earl lachte laut auf. "Ach, Susanna! Du lernst es auch nicht mehr!"
"Nun, ich habe eben das darin gesehen."
"Mein liebes Mädchen", sagte er trocken und nahm ihre Hand.
"Glaubst du, nur weil ich eine Frau bin, habe ich zu wilde Vorstellungen? Nun, ich war nicht die Einzige, die dieser Skulptur mehr Bedeutung zumaß, als sie hat." Sie erklärte, wie Monsieur Aubert und Thomas Snively auf die Figur reagiert hatten.
Ihr Vater nickte. "Das zeigt nur wieder, wie sehr unsere Wahrnehmung von Vorurteilen und unseren jeweiligen Lebenserfahrungen geprägt ist, Susanna. Ich als welterfahrener Mann bin natürlich über so etwas erhaben."
Susanna schmunzelte. "Natürlich, Vater."
Völlig ernsthaft fuhr der Earl fort: "Nimm deine Weltsicht: Du behauptest, du würdest unterdrückt werden. Ich verstehe nur nicht, warum du das so siehst!"
"Wirklich nicht?" fragte sie spöttisch. "Und was steht im Gesetz darüber? Dass ein Mann seine Frau schlagen darf, dass er ihr Vermögen verkaufen oder verspielen darf – sogar ihre Einkünfte, wenn sie denn welche hat! Ein Mann kann seiner Frau sogar die Kinder wegnehmen, wenn sie es wagen sollte, ihn zu verlassen, sie wegen böswilligen Verlassens anzeigen und sie ohne einen Penny zurücklassen. Diese Ungerechtigkeiten kannst du wohl kaum ignorieren! Oder behaupten, dass Männer und Frauen gleich behandelt werden."
"Nun, das ist doch nur das Recht, meine Liebe. Welche Familie in Großbritannien lebt schon streng nach diesen Gesetzen? Deine Mutter, meine Frau, war dennoch nicht unterdrückt. Und dein Mann unterdrückt dich sicher auch nicht."
Susanna sprang auf. "Ein Ehemann kann mit seiner Frau tun, was er will! Das weißt du so gut wie ich! Er kann sie arbeiten lassen, bis sie umfällt. Und er kann sie als Zuchtstute für seine so genannte Erbfolge benutzen. Und seine Frau kann nichts anderes tun, als das zu ertragen, so lange, bis sie daran stirbt. Nun, da hinein werde ich mich nie fügen! Das ist eine himmelschreiende Ungerechtigkeit."
Der Earl legte den Arm auf die Sofalehne, während er milde lächelte. "Lassen wir das Thema! Ich frage mich, wer in deiner Ehe wen erträgt! Jaja – Frauen. Deine Mutter konnte mich immer um den kleinen Finger wickeln, genauso wie du."
"Wie schade, dass ihr das nicht bewusst war! Sonst wäre sie vielleicht noch am Leben!" Erst als sie den erschreckten Blick ihres Vaters sah, wurde Susanna bewusst, was sie gesagt hatte. Sie schlug die Hände vor dem Gesicht zusammen.
"Was willst du damit sagen?" fragte er schockiert.
Susanna wünschte, sie könnte ihre Worte ungesagt machen und schüttelte nur den Kopf.
"Raus mit der Sprache, Susanna", forderte er überrascht. "Du glaubst, ich hätte den Tod deiner Mutter verschuldet?"
"Ich weiß, dass du das nicht wolltest, Vater. Das ist mir sehr wohl bewusst. Aber Mutter … sie ist an Erschöpfung gestorben. Die ganzen Pflichten, die sie sich aufgebürdet hat, die Pflichten, die dein Rang mit sich brachte und dann die ganzen Schwangerschaften und Totgeburten – das hat sie vollkommen geschwächt. Sie hat nur gelebt, um dich glücklich zu machen. Und darüber ist sie dann auch gestorben." Leise setzte sie hinzu: "Ich weiß, dass du ihr nie absichtlich Schmerz zugefügt hättest, Vater. Aber ich muss einfach etwas dagegen tun, dass die Dinge so bleiben wie sie sind."
Susannas Vater schloss die Augen und strich sich mit der Hand über das Gesicht.
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