Lord Peter 03 - Keines natürlichen Todes
Parker.
»Natürlich – sie ist von mir und darum genial. Stell dir doch nur einmal vor. Man will ein paar Fragen beantwortet haben. Wen schickt man hin? Einen Mann mit großen Plattfüßen und Notizbuch – den Typ, dessen Privatleben man sich nur als eine Folge unartikulierter Grunzer vorstellen kann. Ich schicke eine Frau mit wollener Unterhose auf den Stricknadeln und Klimperzeug um den Hals. Natürlich stellt sie Fragen – jeder erwartet es von ihr. Keiner wundert sich. Keiner erschrickt. Und das sogenannte Überflüssige ist einem guten und nützlichen Zweck zugeführt. Demnächst wird man mir noch mal ein Denkmal errichten und draufschreiben:
Dem Manne, der Tausende von überflüssigen Frauen glücklich machte, ohne ihrer Tugend zu nahe zu treten
oder sich selbst zu überanstrengen.«
»Wenn du nur nicht soviel reden würdest«, klagte sein Freund. »Und was ist mit diesem maschinegeschriebenen Bericht? Wirst du auf deine alten Tage etwa noch zum Philanthropen?«
»Nein, nein«, sagte Wimsey und winkte ziemlich eilig ein Taxi heran. »Das erzähle ich dir später. Ein kleines privates Pogrom von mir – sozusagen eine Versicherung gegen die sozialistische Revolution – wenn sie kommt. ›Was hast du mit deinem großen Reichtum angefangen, Genosse?‹ ›Ich habe Erstausgaben gekaufte.‹ › Aristocrat! À la lanterne! ‹ ›Halt, verschont mich! Ich habe fünfhundert Geldverleiher, die die Arbeiter unterdrückten, vor Gericht gebracht‹ ›Bürger, du hast wohlgetan. Wir wollen dein Leben schonen. Du sollst zum Kanalreiniger befördert werden.‹ Voilà, man muß mit der Zeit gehen. Bürger Taxifahrer, bringen Sie mich zum Britischen Museum. Kann ich dich irgendwo absetzen? Nein? Dann mach’s gut. Ich will noch ein altes Manuskript des Tristan aus dem zwölften Jahrhundert kollationieren, solange die alte Ordnung besteht.«
Parker stieg nachdenklich in einen Bus und ließ sich nach Westen fahren, um unter der weiblichen Bevölkerung von Notting Dale seinerseits ein paar Erkundigungen einzuziehen. Es schien ihm nicht das Milieu zu sein, in dem Miss Climpsons Talente nutzbringend hätten eingesetzt werden können.
4
Leicht verdreht
Und faselte von grünen Feldern.
KÖNIG HEINRICH V.
Brief von Miss Alexandra Katherine Climpson an Lord Peter Wimsey:
Leahampton, Hants
Fairview, Nelson Avenue
bei Mrs. Hamilton Budge
29. April 1927
Lieber Lord Peter!
Es wird Sie gewiß freuen zu hören, daß ich nach den beiden vorherigen Mißerfolgen (!) nun endlich den richtigen Ort gefunden habe. Die Sterbeurkunde der Agatha Dawson ist die richtige, und der schreckliche Skandal um Dr. Carr ist noch immer sehr lebendig, wie ich um der menschlichen Natur willen leider sagen muß. Ich hatte das Glück, ein Zimmer gleich in einer Nebenstraße der Wellington Avenue zu finden, wo Miss Dawson früher gewohnt hat. Meine Wirtin scheint eine sehr nette Frau zu sein, wenn auch eine fürchterliche Klatschbase! – was ja hier nur von Vorteil ist!! Sie verlangt für ein recht hübsches Schlaf- und Wohnzimmer mit Vollpension dreieinhalb Guineen die Woche. Sie werden das hoffentlich nicht als allzu extravagant betrachten, denn die Lage ist genauso , wie Sie es wünschten. Nehmen Sie mir die Erwähnung von Unterwäsche nicht übel, die einen recht großen Posten ausmacht, fürchte ich! Aber Wollsachen sind nun einmal heutzutage so teuer, und schließlich muß meine Ausstattung ja in allen Einzelheiten mit meiner (angeblichen!) Stellung im Leben übereinstimmen. Ich habe auch nicht vergessen, die Sachen alle durchzuwaschen, damit sie nicht zu neu aussehen, denn das könnte verdächtig wirken!!
Aber nun warten Sie sicher schon darauf, daß ich (um einmal einen vulgären Ausdruck zu gebrauchen) endlich zu gackern aufhöre und Eier lege (!!). Also, am Tag nach meiner Ankunft habe ich Mrs. Budge erklärt, ich litte an argem Rheumatismus (was übrigens die reine Wahrheit ist – dieses traurige Erbe haben mir meine, ojemine (!) portweintrinkenden Vorfahren hinterlassen!) – und habe sie gefragt, was es denn in der Gegend für Ärzte gäbe. Da kam sie gleich mit einem ganzen Katalog an und sang dazu ein großes Loblied auf den sandigen Boden und die gesunde Lage des Ortes. Ich sagte, ich zöge einen älteren Arzt vor, denn auf die jungen Leute könne man sich meines Erachtens überhaupt nicht verlassen. Mrs. Budge hat mir da von Herzen zugestimmt, und mit ein paar vorsichtigen Fragen habe ich dann die ganze Geschichte von Miss
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