Lord Peter 03 - Keines natürlichen Todes
sie arbeitet ja so fleißig bei uns mit. Ach ja, und Mrs. Peasgood, mein Mann möchte sich unbedingt mit Ihnen über das Fest unserer Chorknaben unterhalten. Er spricht gerade mit Mrs. Findlater darüber. Ob Sie wohl so nett wären, hinzugehen und ihm zu sagen, was Sie davon halten? Er legt solchen Wert auf Ihre Meinung.«
So trennte die gute Frau taktvoll die streitenden Parteien, und nachdem sie Mrs. Peasgood unter die klerikalen Fittiche gesteckt hatte, schleppte sie Miss Climpson fort und drückte sie auf einen Sessel in der Nähe des Teetisches.
»Liebe Miss Whittaker, ich möchte Sie so gern mit Miss Climpson bekanntmachen. Sie ist eine Nachbarin von Ihnen – in der Nelson Avenue, und wir hoffen sie überreden zu können, daß sie sich ganz hier niederläßt.«
»Das wäre fein«, sagte Miss Whittaker.
Miss Climpsons erster Eindruck von Mary Whittaker war, sie sei auf den Teepartys von St. Onesimus völlig fehl am Platz. Mit ihrem hübschen, scharf geschnittenen Gesicht und der stillen Autorität stellte sie den Typ dar, der sich in Großstadtbüros so »gut macht«. Sie hatte eine angenehme, ruhige Art und war sehr gut gekleidet – mit einer nicht gerade männlichen, aber doch strengen Eleganz, die ihre gute Figur nicht weiter zur Geltung kommen ließ. Nach ihren langen, melancholischen Erfahrungen mit frustrierten Frauen, die sie in trostloser Folge in billigen Pensionen hatte sammeln können, ließ Miss Climpson jetzt eine Theorie, die sich in ihrer Vorstellung zu bilden begonnen hatte, gleich fallen. Mary Whittaker war keine leidenschaftliche Natur, die sich an eine alte Frau gefesselt gefühlt hatte und nach Freiheit drängte, um noch einen Mann zu finden, ehe die Jugend dahin war. Diesen Typ kannte sie gut – erkannte ihn mit erschreckender Treffsicherheit beim ersten Blick, beim Klang der Stimme, wenn sie nur guten Tag sagte. Aber beim ersten Blick in Mary Whittakers klare, helle Augen unter den wohlgeformten Brauen hatte sie schlagartig das Gefühl, diesen Ausdruck schon einmal gesehen zu haben, wenn ihr auch das Wo und Wann nicht einfiel. Und während sie lang und breit von ihrer Ankunft in Leahampton erzählte, von ihrer Einführung beim Vikar und der guten Luft und dem sandigen Boden von Hampshire, kramte sie in ihrem exzellenten Gedächtnis nach einem Anhaltspunkt. Aber die Erinnerung wollte und wollte ihr Versteck nicht verlassen. In der Nacht wird es mir einfallen, dachte Miss Climpson zuversichtlich, und bis dahin will ich mal lieber noch nichts von dem Haus sagen; es könnte bei der ersten Begegnung zu aufdringlich wirken.
Worauf das Schicksal sofort eingriff und nicht nur diesen weisen Entschluß über den Haufen stieß, sondern beinahe Miss Climpsons ganze Strategie mit einem einzigen Streich zunichte machte.
Dazu bedienten die rächenden Erinnyen sich der Gestalt der jüngsten Miss Findlater – der schwärmerischen –, die schwer beladen mit Babywäsche angesprungen kam und sich neben Miss Whittaker aufs Sofa fallen ließ.
»Mary, Liebste! Warum hast du mir denn nichts gesagt? Du willst also deinen Plan mit der Hühnerfarm schon gleich verwirklichen? Ich hatte keine Ahnung, daß deine Pläne schon so weit gediehen sind. Aber daß ich das zuerst von anderen erfahren mußte! Du hattest mir doch versprochen, es zuallererst mir zu sagen.«
»Davon weiß ich ja selbst nichts«, erwiderte Miss Whittaker kühl. »Wer hat dir denn diese wundersame Geschichte erzählt?«
»Aber Mrs. Peasgood hat doch gesagt, sie hat es von …«
Hier geriet Miss Findlater nun in Schwierigkeiten. Sie war Miss Climpson noch nicht vorgestellt worden und wußte nicht, wie sie sich in ihrer Anwesenheit auf sie beziehen sollte.
»Diese Dame«, würde eine Verkäuferin im Laden sagen; »Miss Climpson« ging nicht an, da sie den Namen offiziell ja gar nicht kannte; »Mrs. Budges neuer Logiergast« war unter den Umständen offenbar unmöglich. Sie zögerte – und dann strahlte sie Miss Climpson freudig an und meinte: »Unsere neue Helferin – darf ich mich Ihnen schon selbst vorstellen? Ich hasse Förmlichkeiten ja so, und wer zum Arbeitskreis der Gemeinde gehört, bedarf keiner förmlichen Vorstellung mehr, finden Sie nicht? Miss Climpson, glaube ich. Sehr erfreut. Dann stimmt es also, Mary, daß du dein Haus an Miss Climpson vermietest und eine Geflügelfarm in Alford aufmachst?«
»Davon weiß ich aber ganz sicher nichts. Miss Climpson und ich haben uns eben erst kennengelernt.« Der Ton, in dem Miss
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