Lord Peter 03 - Keines natürlichen Todes
auch nicht.« Die Schwester wirkte ein wenig verlegen. »Die Abneigung schien bei ihr allmählich zu wachsen. Sie – haben vielleicht schon gehört, was die Leute am Ort sich so erzählt haben. Als ich ging. Daß nämlich Dr. Carr und ich … Nein, es ist wirklich schändlich! Ich habe eine höchst unerquickliche Unterredung mit der Mutter Oberin geführt, als ich wieder hier war. Diese Geschichte muß sie verbreitet haben. Wer könnte es sonst gewesen sein?«
»Nun – Sie sind aber doch mit Dr. Carr verlobt, oder?« meinte Seine Lordschaft freundlich. »Ich will damit natürlich nicht sagen, daß dies kein überaus erfreulicher Umstand wäre und so weiter, aber –«
»Aber sie behauptet, ich hätte meine Patientin vernachlässigt. Das habe ich nie getan. Mir würde so etwas im Traum nicht einfallen.«
»Gewiß nicht. Aber könnte es nicht sein, daß vielleicht schon die Verlobung an sich ein Ärgernis war? Ist übrigens Miss Whittaker mit jemandem verlobt?«
»Nein. Sie meinen, sie war eifersüchtig? Ich bin sicher, daß Dr. Carr ihr nie den geringsten, nicht den geringsten …«
»Bitte, bitte !« rief Lord Peter. »Nun sträuben Sie doch nicht gleich das Gefieder. Ein hübscher Vergleich – wie ein Küken, finde ich, so wollig. Aber auch ohne den geringsten Dingsda von Dr. Carrs Seite – er ist doch ein sehr anziehender Mensch und so. Glauben Sie nicht, da könnte etwas dran sein?«
»Einmal habe ich es geglaubt«, gab Miss Philliter zu.
»Aber als sie wegen der Autopsie solche Schwierigkeiten gemacht hat, da habe ich mir das wieder aus dem Kopf geschlagen.«
»Aber sie hat sich der Autopsie doch gar nicht widersetzt.«
»Das nicht. Aber man kann es ja auch so machen, Lord Peter, daß man sich zunächst vor den Nachbarn ins Recht setzt und ihnen dann bei den Teepartys im Pfarrhaus erzählt, ›wie es wirklich war‹. Ich war ja nicht dabei, aber fragen Sie einmal jemanden, der dabei war. Diese Teepartys kenne ich.«
»Unmöglich ist es trotzdem nicht. Wer sich übergangen fühlt, kann sehr gehässig werden.«
»Vielleicht haben Sie recht«, meinte Schwester Philliter nachdenklich. »Aber«, fügte sie plötzlich hinzu, »das wäre doch kein Grund, eine vollkommen unschuldige alte Frau zu ermorden.«
»Jetzt gebrauchen Sie dieses Wort schon zum zweitenmal«, sagte Wimsey bedeutungsvoll. »Es ist noch nicht bewiesen, daß es Mord war.«
»Das weiß ich.«
»Sie glauben aber, es war Mord?«
»Ja.«
»Und Sie glauben auch, daß sie es war?«
»Ja.«
Lord Peter ging ans Erkerfenster und strich nachdenklich über die Blätter der Aspidistra. Eine dralle Schwester störte die Stille, indem sie zuerst hereingestürzt kam und dann anklopfte, um kichernd zu melden: »Entschuldigung tausendmal, wie dumm von mir, aber du bist heute nachmittag sehr gefragt, Philliter. Dr. Carr ist da.«
Dem Namen folgte sein Träger auf dem Fuß. Als er Wimsey sah, blieb er sprachlos stehen.
»Ich sagte Ihnen ja, daß ich über kurz oder lang aufkreuzen würde«, meinte Lord Peter fröhlich. »Sherlock ist mein Name, und Holmes meine Natur. Sehr erfreut, Sie wiederzusehen, Dr. Carr. Ihr kleines Problem liegt in den besten Händen, und nachdem ich sehe, daß ich hier nicht mehr benötigt werde, will ich’s machen wie das Bienchen und abschwirren.«
»Wie kommt denn der hierher?« erkundigte sich Dr. Carr nicht allzu erfreut.
»Hast du ihn denn nicht geschickt? Ich finde ihn sehr nett«, sagte Schwester Philliter.
»Er ist verrückt«, sagte Dr. Carr.
»Er ist gescheit«, meinte die rothaarige Schwester.
5
Tratsch
Mit Salven unaufhörlichen Geschwätzes.
BUTLER: HUDIBRAS
»Sie denken also daran, sich hier in Leahampton niederzulassen?« sagte Miss Murgatroyd. » Das ist aber nett. Hoffentlich können Sie in unserer Kirchengemeinde bleiben. Wir sind nämlich bei den Wochentagsversammlungen gar nicht gut besetzt – es gibt eben hier zuviel Gleichgültigkeit und Protestantismus. Da, nun ist mir eine Masche gefallen. Wie ärgerlich! Vielleicht sollte es aber auch nur eine kleine Erinnerung sein, daß ich nicht lieblos über Protestanten reden soll. Alles in Ordnung – ich hab sie wieder. Haben Sie vor, sich hier ein Haus zu suchen, Miss Climpson?«
»Ich weiß es noch nicht genau«, antwortete Miss Climpson. »Heutzutage sind die Mieten ja so hoch, und ein Haus zu kaufen, ginge fast über meine Mittel, fürchte ich. Jedenfalls werde ich mich sehr genau umsehen und die Frage von allen Seiten betrachten müssen.
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