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Lord Peter 03 - Keines natürlichen Todes

Lord Peter 03 - Keines natürlichen Todes

Titel: Lord Peter 03 - Keines natürlichen Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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Geschichte?«
    »Zweifellos ist folgendes passiert: Miss Whittaker hat versucht, die alte Dame unwissentlich ein Testament unterschreiben zu lassen. Sie hat es zwischen lauter Steuerformulare gesteckt und gehofft, sie würde ihren Namen darunter setzen, ohne es zu lesen. Es muß sich wohl um ein Testament gehandelt haben, denn soviel ich weiß, wird nur dieses Dokument erst dadurch gültig, daß es von zwei Personen in Gegenwart des Erblassers und jeweils des zweiten Zeugen beglaubigt wird.«
    »Genau. Und da Miss Whittaker nicht selbst als Zeugin auftreten konnte, sondern die beiden Mädchen dazu brauchte, muß es ein Testament zu Miss Whittakers Gunsten gewesen sein.«
    »Klar. Sie hätte sich diese Mühe ja nicht gemacht, um sich selbst zu enterben.«
    »Aber damit stehen wir vor einer anderen Schwierigkeit. Als nächste Anverwandte hätte Miss Whittaker sowieso die gesamte Hinterlassenschaft der alten Dame bekommen. Sie hat sie auch bekommen. Wozu also die Bemühungen um ein Testament?«
    »Wie wir schon einmal gemeint haben, hatte sie vielleicht Angst, Miss Dawson könnte es sich anders überlegen, und wollte deshalb, daß vorher ein Testament gemacht wurde – aber nein, das geht ja gar nicht.«
    »Nein – denn jedes später abgefaßte Testament hätte das vorhergehende automatisch außer Kraft gesetzt. Außerdem hat die alte Dame wenig später nach ihrem Anwalt geschickt, ohne daß Miss Whittaker ihr irgendwelche Hindernisse in den Weg gelegt hätte.«
    »Laut Schwester Forbes war sie sogar sehr darauf bedacht, daß ihr nur ja jede Möglichkeit dazu gegeben wurde.«
    »Wenn man bedenkt, wie sehr Miss Dawson ihrer Nichte mißtraut hat, ist es eigentlich ein bißchen überraschend, daß sie das Geld nicht anderweitig vermacht hat. Dann wäre es nämlich zu Miss Whittakers Vorteil gewesen, sie so lange wie möglich am Leben zu erhalten.«
    »Ich glaube nicht einmal, daß sie ihr richtig mißtraut hat – wenigstens hat sie wohl nicht damit gerechnet, aus dem Wege geräumt zu werden. Sie hat in ihrer Erregung eben Dinge gesagt, die sie gar nicht meinte – wer tut das nicht?«
    »Schon. Aber offenbar hat sie damit gerechnet, daß man noch einmal versuchen würde, ihr ein Testament unterzuschieben.«
    »Woraus schließt du das?«
    »Erinnerst du dich nicht mehr an die Vollmacht? Das alte Mädchen hat sich wahrscheinlich gedacht, wenn sie Miss Whittaker die Vollmacht gibt, alles für sie zu unterschreiben, sind keine Tricks mit untergeschobenen Papieren mehr möglich.«
    »Na klar. Ein raffiniertes altes Haus. Und wie peinlich für Miss Whittaker. Das Ganze auch noch nach diesem überaus hoffnungsvollen Besuch von ihrem Anwalt. Was für eine Enttäuschung! Statt des erwarteten Testaments ein wohlgezielter Knüppel zwischen die Beine.«
    »Gewiß. Aber damit stehen wir immer noch vor der Frage, wozu überhaupt ein Testament?«
    »Richtig.«
    Die beiden Männer zogen eine Weile schweigend an ihren Pfeifen.
    »Die Tante hat ganz offensichtlich die Absicht gehabt, das Geld Mary Whittaker zukommen zu lassen«, meinte Parker schließlich. »Sie hat es so oft versprochen – und außerdem würde ich behaupten, daß sie eine rechtlich denkende Frau war und sich daran erinnert hat, daß es eigentlich Whittaker-Geld war, das ihr da über den Kopf von Hochwürden Charles hinweg, oder wie er sonst hieß, in den Schoß gefallen war.«
    »So ist es. Und nur eines hätte das verhindern können, und zwar – ach du heilige Neune! Weißt du, worauf es hinausläuft? Auf die ur-uralte Geschichte – Lieblingsthema der Romanschreiber – vom verschollenen Erben!«
    »Mein Gott, du hast recht! Himmel, wie dumm sind wir eigentlich gewesen, daß wir daran nicht gleich gedacht haben? Mary Whittaker hat wahrscheinlich herausbekommen, daß noch ein näherer Verwandter am Leben war, der das Geld einstreichen würde. Vielleicht hatte sie Angst, wenn Miss Dawson es erführe, würde sie das Geld teilen oder Mary ganz enterben. Oder sie war es vielleicht auch nur leid, es der alten Dame immer wieder einzutrichtern, so daß sie schließlich auf die Idee verfallen ist, sie ein Testament zu Marys Gunsten unterschreiben zu lassen, ohne es zu wissen.«
    »Was für ein kluges Köpfchen du doch hast, Charles. Oder – paß mal auf: Miss Dawson, das schlaue alte Biest, könnte auch alles gewußt haben und wollte Miss Whittaker ihr ungehöriges Drängen in der Testamentsfrage dadurch heimzahlen, daß sie ohne Testament und damit zum Vorteil des anderen

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