Lord Peter 03 - Keines natürlichen Todes
starb.«
»Wenn das so war, hat sie alles verdient, was sie bekommen hat«, meinte Parker ingrimmig. »Schließlich hat sie das arme Mädchen mit dem Versprechen aus dem Beruf weggelockt, ihr den Zaster zu vermachen.«
»Um der jungen Dame beizubringen, nicht so aufs Geld aus zu sein«, erwiderte Wimsey mit der brutalen Unbekümmertheit dessen, dem es noch nie im Leben an Geld gefehlt hat.
»Wenn diese großartige Idee richtig ist«, sagte Parker, »bringt sie doch eigentlich deine Mordtheorie ins Wanken, oder? Denn dann hätte Mary sich doch offenbar bemühen müssen, ihre Tante so lange wie möglich am Leben zu erhalten, damit sie vielleicht doch noch ein Testament machte.«
»Stimmt auch wieder. Hol dich der Kuckuck, Charles, ich sehe meine Wette zum Teufel gehen. Und was für ein Schlag für unsern Freund Carr. Ich hatte ihn so reinwaschen wollen, daß man ihn unter den Klängen der Dorfkapelle heimgeholt und einen Triumphbogen errichtet hätte, auf dem als Leuchtschrift aus roten, weißen und blauen Lämpchen gestanden hätte: ›Willkommen, Held der Wahrheit!‹ Na ja, Pech. Besser eine Wette verlieren und das Licht schauen, als goldbehängt in Unwissenheit zu wandeln. Oder halt mal! – warum sollte Carr nicht doch am Ende recht haben? Vielleicht habe ich mir nur den falschen Mörder ausgesucht. Aha! Ich sehe einen neuen, noch finstereren Schurken die Bühne betreten. Der neue Anwärter, von seinen Höflingen gewarnt –«
»Was für Höflingen?«
»Sei doch nicht so pingelig, Charles. Wahrscheinlich Schwester Forbes. Würde mich nicht wundern, wenn sie in seinem Sold stünde. Wo war ich? Wenn du mich bloß nicht immer unterbrechen würdest!«
»Von seinen Höflingen gewarnt –«, half Parker nach.
»Ach ja – von seinen Höflingen gewarnt, daß Miss Dawson Umgang mit Anwälten pflegt, die sie verführen wollen, Testamente und dergleichen zu machen, läßt sie von besagten Höflingen beseitigen, bevor sie Unheil anrichten kann.«
»Gut, aber wie?«
»Nun vielleicht durch eines dieser Eingeborenengifte, die in Sekundenbruchteilen töten und der Kunst des Analytikers trotzen. Sie sind dem miserabelsten Gruselgeschichtenschreiber bekannt. Ich lasse mich von solchen Kleinigkeiten doch nicht aufhalten.«
»Und warum hat dieser hypothetische Herr bisher noch keine Ansprüche auf das Erbe angemeldet?«
»Er wartet den richtigen Augenblick ab. Die Aufregung um den Tod hat ihn erschreckt, und jetzt liegt er auf der Lauer, bis Gras darüber gewachsen ist.«
»Er dürfte es um einiges schwieriger finden, Miss Whittaker das Erbe wieder abzujagen, nachdem sie es einmal in Besitz genommen hat. Wer besitzt, hat schon zu neunzig Prozent recht, weißt du?«
»Ich weiß, aber er wird behaupten, zur Zeit von Miss Dawsons Tod nicht in der Nähe gewesen zu sein. Er hat es erst vor ein paar Wochen aus einer alten Zeitung erfahren, die um eine Dose Lachs gewickelt war, und nun kommt er von seiner Farm im fernen Dingsda nach Hause geeilt, um sich als der lange verschollen gewesene Vetter Tom zu erkennen zu geben … Heiliger Strohsack! Da fällt mir etwas ein.«
Seine Hand fuhr in die Tasche und kam mit einem Brief wieder zum Vorschein.
»Der ist heute früh gekommen, als ich gerade ausgehen wollte, und dann habe ich auf der Treppe Freddy Arbuthnot getroffen und das Ding in die Tasche gesteckt, bevor ich es richtig gelesen hatte. Aber ich glaube, da stand etwas von einem Vetter Soundso aus irgendeinem gottverlassenen Nest drin. Wollen mal sehen.«
Er faltete den Brief auseinander, der in Miss Climpsons altmodisch fließender Handschrift abgefaßt und mit einer solchen Vielzahl von Unterstreichungen und Ausrufezeichen verziert war, daß er eher einer Übung in Notenschrift glich.
»O Gott!« stöhnte Parker.
»Ja, schlimmer noch als sonst, nicht wahr? Er muß von ungeheurer Wichtigkeit sein. Zum Glück ist er verhältnismäßig kurz.«
Lieber Lord Peter,
mir ist heute morgen etwas zu Ohren gekommen, was sehr von Nutzen sein KÖNNTE, weshalb ich mich BEEILE, es Ihnen mitzuteilen! Wenn Sie sich erinnern, ich habe schon einmal erwähnt, daß Mrs. Budges Mädchen die SCHWESTER des jetzigen Mädchens von Miss Whittaker ist. Also!!! Die TANTE dieser beiden Mädchen ist Mrs. Budges Mädchen heute besuchen gekommen und mir vorgestellt worden – natürlich bin ich als Mrs. Budges Logiergast für die Leute von hier von größtem Interesse –, und eingedenk Ihrer Anweisungen leiste ich dem in einem Ausmaß Vorschub , wie
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