Lord Peter 03 - Keines natürlichen Todes
naheliegenden Vorschlag sofort. Aber bei den Findlaters zogen sie eine Niete. Die Familie sei an der See, außer Miss Vera, die bei Miss Whittaker in der Wellington Avenue sei. Das Hausmädchen gab sich in keiner Weise besorgt und schien es auch nicht zu sein. Die Detektive gaben sich die größte Mühe, keine Unruhe zu erzeugen, und zogen sich, nachdem Sir Charles eine ebenso höfliche wie nichtssagende Nachricht hinterlassen hatte, zur Beratung zurück.
»Soweit ich sehen kann«, sagte Parker, »bleibt uns da nichts anderes übrig als ein Anruf an alle Polizeidienststellen, sich nach dem Wagen und den Damen umzusehen. Und natürlich müssen wir in allen Häfen nachfragen. Mit vier Tagen Vorsprung können sie jetzt Gott weiß wo sein. Himmel, hätte ich nur etwas mehr riskiert und früher zugepackt, mit oder ohne Genehmigung. Was ist diese Findlater eigentlich für ein Mädchen? Vielleicht sollte ich noch einmal zurückgehen und mir ein Photo von ihr und der Whittaker besorgen. Und du, Wimsey, könntest mal bei Miss Climpson reinschauen und hören, ob sie etwas für uns weiß.«
»Und du könntest beim Yard Bescheid sagen, sie sollen Mrs. Forrests Wohnung im Auge behalten«, sagte Wimsey.
»Wenn bei einem Verbrecher etwas Ungewöhnliches eintritt, ist man immer gut beraten, seinem Komplizen auf die Finger zu sehen.«
»Ich bin überzeugt, daß Sie beide da fürchterlich im Irrtum sind!«, sagte Sir Charles Pillington beschwörend. »Verbrecher – Komplize – mein Gott! Ich habe mir im Laufe eines langen Lebens – und ich lebe schon ein Weilchen länger als Sie beide – einen beträchtlichen Erfahrungsschatz erworben und bin überzeugt, daß Miss Whittaker, die ich übrigens gut kenne, eine so liebe und nette junge Dame ist, wie man es sich nur wünschen kann. Aber irgendeinen Zwischenfall hat es zweifellos gegeben, und es ist unsere Pflicht, der Sache auf den Grund zu gehen. Ich werde mich sofort mit der Polizei von Crow’s Beach in Verbindung setzen, sowie ich eine Beschreibung des Wagens habe.«
»Es ist ein Austin Sieben mit der Nummer XX 9917«, sagte Wimsey prompt und sehr zur Überraschung des Polizeipräsidenten. »Aber ich bezweifle sehr, daß Sie ihn in Crow’s Beach oder sonst irgendwo in der Nähe finden.«
»Jedenfalls sollten wir uns jetzt ein bißchen beeilen«, sagte Parker ungehalten. »Am besten trennen wir uns. Können wir dann in einer Stunde im ›George‹ einen Happen essen?«
Wimsey hatte Pech. Miss Climpson war nicht zu finden. Sie hatte heute schon zeitig zu Mittag gegessen und war mit den Worten fortgegangen, eine ausgedehnte Wanderung übers Land werde ihr sicher guttun. Mrs. Budge fürchtete aber eher, sie habe vielleicht schlechte Nachrichten bekommen. Sie habe seit gestern abend so unruhig und besorgt gewirkt.
»Aber einen Moment, Sir«, fügte sie hinzu, »wenn Sie sich beeilen, finden Sie sie vielleicht noch in der Kirche. Da geht sie oft noch schnell auf ein Gebet hinein. Nicht gerade die respektvollste Art, finden Sie nicht, Sir, einen heiligen Ort zu besuchen. An einem Wochentag einfach so mal eben rein und raus, als wenn sie Freunde besuchen ginge. Und wenn sie von der Kommunion kommt, ist sie fröhlich und guter Dinge und lacht und macht Scherze. Ich weiß nicht, ob wir die Religion wirklich zu so etwas Gewöhnlichem machen dürfen – so völlig respektlos und gar nichts Erbauliches dabei. Aber – na ja! Wir haben wohl alle unsere Fehler, und eigentlich ist Miss Climpson eine ganz nette Frau, das muß ich schon sagen, auch wenn sie böhmisch-katholisch oder wenigstens so etwas Ähnliches ist.«
Lord Peter fand die Bezeichnung »böhmisch-katholisch« recht passend für den päpstlicheren Ableger der Hochkirche. Aber im Augenblick hatte er nicht das Gefühl, auch noch Zeit für eine religiöse Diskussion erübrigen zu können, weshalb er sich schnell auf den Weg zur Kirche und die Suche nach Mrs. Climpson machte.
Die Türen von St. Onesimus standen gastlich weit offen, und das Ewige Licht verbreitete einen einladenden roten Schimmer in dem ansonsten ziemlich düsteren Raum. Wimsey, der aus der Junisonne kam, mußte erst ein wenig blinzeln, bevor er irgend etwas sonst erkennen konnte. Bald sah er eine dunkle, gebeugte Gestalt vor dem Ewigen Licht knien. Im ersten Augenblick hoffte er, es sei Miss Climpson, aber schon kurz darauf erkannte er zu seiner Enttäuschung, daß es nur eine Nonne in ihrer schwarzen Tracht war, die wahrscheinlich bei der Hostie Wache hielt.
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