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Lord Schmetterhemd im wilden Westen

Lord Schmetterhemd im wilden Westen

Titel: Lord Schmetterhemd im wilden Westen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Kruse
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Rotkrautköpfe aufgereiht. Aber das wirbelnde Messer
verfehlte sein Ziel, es klatschte zu Boden.
    Sollten
die Kohlkugeln etwa menschliche Köpfe darstellen? Ehe ich ihn danach fragen
konnte, zog Cookie unter seinem Hocker-Pferd eine Gitarre hervor. Er besaß sie
schon lange, hatte aber seit Jahren nicht mehr auf ihr gespielt. Jetzt
klimperte er und fand mit einiger Mühe die Melodie von Onkel Rabs Cowboylied
zusammen. Auch mit dem Text haperte es. Und seine Stimme klang in meinen Ohren
nicht viel lieblicher als die des Kaninchens:
     
    »Reitet
ein Reiter übers Land,
    kühn
blamba und stark blamband,
    jippihei
und jippihe,
    und
sein Hintern tut ihm weh...«
     

     
    »Bist
du noch bei Sinnen ?« fragte ich.
    Er
schreckte aus seinem Wildwesttraum auf. Verlegen krabbelte er vom Sattel.
»Sogar sehr, Mylord«, murmelte er. »Ich muß mich doch auf unsere Reise
vorbereiten, so, wie Mylords Vorfahren. Meine Aufgabe ist wirklich nicht
einfach. Tante Turkie hat mir vorgelesen, was man alles von einem guten Koch
erwartet: Er hat nicht nur über die Pfannen und Töpfe zu herrschen, er muß
nicht nur in freier Natur, ohne Herd, die köstlichsten Gerichte bereiten — von
mir hängt ganz allein ihr Wohlergehen ab, Mylord. Ich muß Ihr Arzt und Ihr
Friseur sein, Kugeln aus Ihrem Leib schneiden können, Wunden verbinden, Salben
mischen. Aber vor allem muß ich mit Revolver, Gewehr und Peitsche umzugehen
verstehen, Pferde beschlagen und Wagen reparieren können, Anzüge flicken,
Geschichten erzählen und Lieder zur Erheiterung singen...«
    »Das
ist allerdings beachtlich«, sagte ich, teils ehrlich überrascht, teils auch
belustigt. Nur schwer konnte ich mir meinen dicken Cookie bei so vielfältigen
Tätigkeiten vorstellen. Der arme Kerl mußte ja ganz außer Atem kommen. Da war
es wohl notwendig, auf die übernatürliche Hilfe meiner sonderbaren Vorfahren zu
hoffen.

Eine Nacht auf dem Galgenberg
     
    Und
diese waren nicht untätig. Als die Nacht gekommen war, die elfte Stunde
verstrichen, als der Mond voll und bleich wie ein Totenschädel im dünnen Nebel
hing und die Hügel in ein magisches Licht tauchte, da ließen sie sich von
Cookie die Stute Suleika vor die Kutsche spannen.
    Cookie
öffnete das Hoftor. Onkel Berni und Onkel Rab schwangen sich auf den
Kutschbock. Tante Turkie flatterte auf den Hintersitz. Sie verabschiedeten sich
mit ernsten und geheimnisvollen Mienen von uns. Sie legten Krallen oder
Vorderpfoten auf die Stelle ihres Schnabels oder Maules, wo unsereiner die
Lippen hat. Wir schwiegen daher alle, und ich hatte den seltsamen Gedanken, ob
ich nicht vielleicht für ihr Wohl beten müßte. Aber beten für Wesen aus dem
Jenseits, die mir als Gespenster erschienen waren, das erschien mir nun doch
auch wiederum nicht ganz passend.
    Seltsam
leise, als seien sowohl die Wagenräder, als auch die Hufe Suleikas mit dicken
Wolltüchern umwickelt, rollte die Kutsche aus dem Hof von Bloodywood-Castle.
    Und
bald verschwand das sonderbare Gefährt in dem dichten, bleichen Nebel der
Nacht.
    Was
sich auf dem Galgenberg zutrug, habe ich niemals erfahren. Weder Onkel Berni
noch Tante Turkie, ja selbst Onkel Rab machten jemals die kleinste Andeutung.
Wir aber, Cookie Pott und ich, waren nur auf Vermutungen angewiesen. Und diese
sagten uns, daß sie dort die Geister von vormals Gehenkten beschworen hatten,
daß diese ihnen erschienen und die Waffen und Dinge verzauberten. Ob meine
Vorfahren selbst hierfür irgendwelche Gegenleistungen erbringen mußten, ja, in
welchen Beziehungen sie zu den Geistern der Gehenkten standen, wer kann es
wissen?
    Erschienen
diese in ihrer früheren, menschlichen Gestalt? Oder stiegen sie als
Knochengerippe mit dem Strick um den Hals vom Galgen?
    Cookie
und ich verbrachten mehr als eine Stunde — die Geisterstunde — am geöffneten
Fenster der Bibliothek. Wir schauten hinüber zum Galgenberg. Durch den
wallenden, milchweißen Nebel sahen wir einmal grellroten Feuerschein. Er zuckte
auf und überflammte den Horizont. Als er in sich zusammensank, war es
minutenlang so dunkel, als sei der Mond unter den Erdrand gestürzt. Man sah die
eigene Hand nicht vor Augen. Dann folgte ein Krachen, fürchterlicher als ein
Donnerschlag, vielleicht wie das gleichzeitige Abschießen aller Bordkanonen
eines Kriegsschiffes. Diesem Schlag folgte Stille. Dann ein Grollen — und
endlich ein schwefelgelbes, giftiges Licht.
    Ich
warf einen Blick auf den neben mir stehenden Cookie und sah, daß seine weiche,
füllige

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