Lord Schmetterhemd im wilden Westen
Prahlerei, Gesetzlosigkeit,
Skalps, Marterpfähle, Schießereien, Lynchjustiz, Prügelei... ich weiß nicht, wo
ich anfangen und wo aufhören soll !«
Ich
kannte das Buch, das sie mit ihrer Kralle bearbeitete. Es war in der Tat eine
der schlimmsten Räubergeschichten aus dem Wilden Westen, wie sie in letzter
Zeit mehr und mehr Mode wurden. »Das ist alles erfunden«, erklärte ich deshalb.
»Schlecht erfunden, Schriftstellerei. Die Wirklichkeit sieht anders aus .«
»Nun«,
sagte die Squaw Truthahnschnabel, »und wenn auch nur die Hälfte dieser
Geschichten stimmt. Diese hinterhältigen Rothäute... und dabei sind die
Cowboys, alles Raufbolde, fast noch schlimmer. Besonders so ein übler Geselle
mit dem Namen >Der Tödliche Colt< in der Geschichte von dem schartigen
Bowiemesser und dem Geiergalgen... pfui Spinne!«
»Ja«,
gab ich zu, verschwieg aber, daß es sich beim Tödlichen Colt um eine lebende
Persönlichkeit handelte, die den Wilden Westen noch immer unsicher machte. Ich
wollte Squaw Truthahnschnabel nicht noch mehr aufregen.
Meine
arme Stute tänzelte. Es war unrecht, das Tier ins Haus zu holen. Sie hatte auch
schon einige Äpfel fallen lassen, glücklicherweise trockene. Ich bat Cookie,
Suleika in den Stall zu bringen, und er tat es gern, nachdem Cowboy Rab von
ihrem Rücken gerutscht war. Und nun entledigten sich meine Vorfahren auch ihrer
Verkleidung, brachten die Sachen an ihren Platz in den Raum zurück, wo ich sie
aufbewahrte, und räumten die Halle so schnell auf, daß ich an Zauberei glaubte.
Nur die Pferdeäpfel ließen sie liegen und still vor sich hinduften.
Einigermaßen
versöhnt, begaben wir uns alle in das Kaminzimmer, wo ich frühstückte. Ein
wenig später stieß auch Cookie Pott zu uns, denn Onkel Berni wünschte etwas
Wichtiges mit uns allen zu besprechen.
Ich
fragte, ob ich währenddessen meinen Tee trinken und meine Spiegeleier essen
dürfte. Onkel Berni gestattete es großzügig.
Es geht um Waffen und andere Dinge
Der
aromatische Tee wärmte meinen Magen auf. Die Spiegeleier stärkten mich. Ich konnte
also wohl wieder einen Puff vertragen. Was hatten meine Ahnen mir Wichtiges zu
unterbreiten? Onkel Berni ließ sich Zeit. Umständlich paffte er, hüllte sich in
Rauch und glich ganz und gar einem alten Häuptling, für den Stunden und Tage
keine Bedeutung haben. Ich ließ mir natürlich auch keine Ungeduld anmerken. Nur
Cookie Pott tänzelte mit unruhigen Füßen und fragte: »Was ist ?«
»Was
habt Ihr für Waffen ?« wollte Onkel Berni wissen. »Nun
—«, sagte ich, »da ist meine Jagdbüchse...«
»Weiter!«
»Ich
hab’ ein großes Schlachtermesser und ein Holzbeil«, meinte Cookie »Hm...
weiter!«
»Ja,
weiter? Ich werde mir noch eine Pistole kaufen«, antwortete ich.
»Und
ich kann vielleicht die Wäscheleine als Wurfseil verwenden, für den Fall, daß
Mylord seine Museumsstücke nicht herausrückt .«
»Selbstverständlich.
Alles, was wir brauchen, kaufen wir im Wilden Westen .«
»Ich
dachte es mir genau so«, brummte Onkel Berni. »Ihr seid völlig ungenügend
bewaffnet. Ein Wunder, daß ihr nicht nur mit Messer und Gabel in den Wilden
Westen zieht.«
»Ich
habe nicht die Absicht, auf Messer und Gabel zu verzichten«, sagte ich. »Es
wäre mir eine unangenehme Vorstellung, Spiegeleier mit den Fingern zu essen .«
»Mach
keine Witze, alter Junge«, sagte Onkel Berni. »Wie wir eben gelesen und erprobt
haben, kommen wir unter Räuber, Mörder und Wilde. Ihr — das heißt du und Cookie
Pott — ihr werdet also zu kämpfen haben. Und wir — das heißt Onkel Rab, Tante
Turkie und ich — werden dafür sorgen, daß ihr erfolgreich kämpfen könnt .«
»Ich
beabsichtige zu fotografieren, nicht aber zu schießen«, wandte ich ein.
»Man
wird dich zu schießen zwingen, wenn du nicht mit zerlöchertem Bauch in der
Prärie verenden willst. Nun — wir können zwar keine großen Wunder bewirken,
aber doch kleine Wunder. Als erstes möchten wir ein Frackhemd von dir haben...«
»Das
klingt ungefährlich«, sagte ich. »Jedenfalls wüßte ich nicht, daß man mit
Hemden schießen kann. Oder vielleicht mit den Manschettenknöpfen?«
Cookie
Pott lachte. Onkel Berni ließ sich nicht stören.
Doch
Onkel Rab fiel ihm ins Wort. »Vergiß nicht den Regenschirm !«
»Bin
ja gerade dabei«, brummte der so Ermahnte. »Also, wir brauchen deinen schwarzen
Regenschirm und deine Jagdflinte... dazu die Patronen... wir brauchen die
Wäscheleine, das Holzbeil und das
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