Lord Schmetterhemd im wilden Westen
Dann führte ich die Hand vor den Mund, um meinerseits jeden Laut
zu unterdrücken.
Cookie
Pott wollte mich beruhigen. »Es ist nichts, Mylord«, stammelte er. »Ich fühle
mich nur so leicht, als hätte ich alles Fett verloren. Ein wunderbares
Gefühl...« Da blickte er an sich hinab — dann verstummte er — und nach dem
Verstummen kreischte er, als sei ihm soeben der Teufel begegnet.
»Die
Wirkung übertrifft meine kühnsten Erwartungen«, kollerte Tante Turkie, die
Gläser der Stielbrille vor den Truthennenaugen.
»Zum
Fürchten«, rief Onkel Rab mit gequetschter Stimme. »Das Geheimnis liegt in den
Patronen«, brummte Onkel Berni. »Wie ich sagte! Oh, wie er Jack dem Erhenkten
gleicht! Die Patronen töten nicht, sie enthalten eine Flüssigkeit, die ins Blut
geht und von innen wirkt...«
Cookie
Pott sah aus wie sein eigenes Gespenst, wie ein Gerippe! Onkel Berni sprach mir
gut zu. »Das vergeht! Was du siehst, ist sein Skelett und nichts als das. Alles
andere, sein Anzug, seine Schuhe, sein Fleisch ist... pfitt !... für einen Augenblick unsichtbar. Später vergeht die Wirkung, wie wenn er sich
einen Rausch ausschläft. Aber für den Augenblick ist die Wirkung höchst
erschreckend... oder befriedigend, wie man will .«
»Sehr,
sehr abschreckend !«
Cookie
starrte wie betäubt an sich herab, ohne daß sich an seinem Aussehen etwas
änderte. Er flüsterte, hauchte mit leiser Stimme: »Ja, es ist grauenhaft, wenn
man sich selbst sooo sieht, in dieser Form, sozusagen vollständig nackt, bis
auf die Klapperknochen! Sehen sie nicht aus wie abgenagt, wie im Grabe! Wenn
ich bedenke, daß ich doch schon an einige Gespensterei gewöhnt bin und mich
nicht mehr so leicht verblüffen lasse, und trotzdem bibbere bis ins Mark, dann
kann ich mir vorstellen, wie einem Fremden die Lust am Schießen vollkommen
vergeht. Schockschwerenot, ich glaube, daß der abgebrühteste Schlingel da vor
sich selber ausreißen wird...«
»Schade,
daß die Patronen nicht beim Großen Koyoten wirken !« blaffte Onkel Rab.
Ich
meinte, daß ich mich mit dieser Art von Schießen vielleicht sogar anfreunden
könnte. »Aber Cookie, du siehst erschreckend aus. Könntest du nicht deine
Kleider wieder... ich meine dein dickes, mir so vertrautes Fleisch und deinen
Anzug wieder anziehen ?«
»Von
mir aus herzlich gern«, sagte er. »Glauben Sie mir, es ist auch für mich nicht
lustig, als mein eigenes Gespenst herumzulaufen. Ich weiß nicht, ob außer mir
schon einmal jemand anderes das zweifelhafte Vergnügen gehabt hat, an seinem
eigenen Knochengerüst hinabzublicken .«
»Cookie
soll sich ins Bett legen und ausschlafen«, riet Tante Turkie. »Wenn er
aufwacht, ist er wieder so schön fett und undurchsichtig wie eh und je .«
Onkel
Rab hoppelte noch einmal um Cookie herum. Er patschte in die Kaninchenpfoten
und jubelte: »Es soll so bleiben, er ist ja so schrecklich... so schrecklich
süß !«
»Warum
habt ihr diese Erscheinung — ich meine, die Verwandlung Cookies in ein
originalgetreues Gerippe nicht aufgeschoben, bis zum Besuch von Mr. und Mrs.
Coolwater ?« fragte ich. »Dann wäre mir um meine Wette
nicht bange !«
»Oder
die verehrte Mrs. Coolwater bekommt einen Herzschlag, und wir müssen sie auf
dem Friedhof zur Ruhe betten«, brummte Cookie. Er mochte sich noch immer nicht
mit seiner Erscheinung abfinden. Und da er sich vor sich selber grauste und
gern wieder wie ein gewöhnlicher Mensch herumgelaufen wäre, sagte er, daß er
nun Tante Turkies Rat befolgen und sich richtig ausschlafen wolle, den Spuk
wegträumen. Doch Onkel Berni hielt ihn zurück: »Bist du gar nicht neugierig,
was es für eine Bewandtnis mit Macs Hemd hat ?« fragte
er.
Cookie
war es. Die Neugierde überwog seinen Schauder.
Das Schmetterhemd und mein neuer Name
Ich
war selbst nicht wenig gespannt, was sich meine Vorfahren noch hatten einfallen
lassen. Tante Turkie stelzte zur Kutsche.
Sie
flatterte empor und faßte mit großer Geschicklichkeit mein Frackhemd, das
kunstgerecht zusammengelegt war, mit dem Schnabel. Und ebenso geschickt kam sie
mit ihm zurück und legte es vor mich auf die Steine.
»In
den Dreck !« jammerte Cookie.
»Man
braucht es von heute an nie mehr zu waschen und nie mehr zu bügeln«, erklärte
ihm Tante Turkie, was er natürlich äußerst praktisch fand. Nachdem dies geklärt
war, forderte mich Tante Turkie auf, das Hemd anzuziehen.
Ich
wurde verlegen. Schließlich stand ich im Nachtgewand und im Morgenrock im Hof,
angetan nur noch
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