Lord Schmetterhemd im wilden Westen
mit meinen Pantoffeln. Und wenn ich das Hemd anzog, mußte ich
zwangsläufig Nachtgewand und Morgenrock ausziehen... ich fühlte mich ein wenig
geniert. »Ohne Hose ?« fragte ich.
»Du
brauchst keine Hose«, meinte Onkel Rab.
Doch
Tante Turkie musterte ihn streng: »So hol ihm die Hose aus dem Schlafzimmer.
Das Cookie-Skelett wollen wir in seinem augenblicklichen Zustand nicht darum
bitten .«
Da
sich Onkel Berni dem anschloß, hoppelte Onkel Rab widerwillig ins Haus und kam
nach einiger Zeit mit meiner Hose zurück. Nun zog ich den Morgenrock aus,
Cookie-Pott-Gerippe hielt ihn mit beiden Händen empor, so daß er wie ein
Vorhang wirkte, hinter dem ich Hemd und Hose anlegen konnte. Noch immer war ich
nicht vollendet gekleidet, trug ich doch weder Weste noch Jacke, weder Socken
noch Lackschuhe, sondern immer noch meine Pantoffeln unter nackten Beinen —
aber es mochte so angehen. Als ich die Garderobe beendet hatte, trat ich hinter
dem Morgenrock-Vorhang hervor und fragte: »Was nun ?«
Ich
sah mich einer äußerst kriegerischen Gesellschaft gegenüber: Onkel Rab hatte
die Pistole in der Pfote. Onkel Berni das Beil, Tante Turkie trug zwar keine
Waffe, doch stand sie mit vorgerecktem Kopf und schlagenden Flügeln so
furchterregend da, daß sie mich fast am meisten erschreckte.
»Was
soll das ?« Ich war einigermaßen verblüfft.
Onkel
Berni raunte Cookie Pott etwas ins Ohr. Cookie nickte, sagte zu mir:
»Verzeihung, Mylord !« , nahm die Haltung eines Boxers
an, ballte die Fäuste, legte aus — und versetzte mir zwei Hiebe gegen die
Brust, die mich normalerweise zu Boden geschickt hätten.
Ich
jedoch stand ungerührt, spürte kaum eine leichte Berührung, während Cookie, das
Skelett, aufheulte, seine Knochenhände vor seinen Totenschädel preßte und durch
blanke Zähne kühlend darauf pustete. »Meine Hände sind zerschmettert, völlig
zerschmettert«, jammerte er.
»Es
ist ein Schmetterhemd !« jubelte Onkel Rab. Er feuerte
auf meine Brust. Damit nicht genug, ich sah das Beil wirbeln, mich berühren, an
mir abprallen und zu Boden fallen. Ich sah Tante Turkie sich in die Luft
erheben und wie ein zentnerschweres Geschoß auf mich aufprallen...
Das
sah ich, doch viel spürte ich nicht.
»Vortrefflich !« brummte Onkel Berni. »So habe ich es mir gewünscht! Was
ist Siegfrieds Drachenblut gegen dieses undurchdringliche Hemd? An ihm
zerschmettert alles, sei es nun eine Kugel, ein Messer, ein Beil oder eine
Faust... Du bist gerüstet für den Wilden Westen, du bist unverwundbar, mein
Sohn !«
»Aber
ist dieses... dieses Schmetterhemd meiner nicht unwürdig? Ist es nicht unfair,
so geschützt zu sein ?«
»Alle
deine Vorfahren trugen Rüstungen !« sagte Onkel Berni.
»Keiner von ihnen wurde deswegen unwürdig genannt. Doch können wir dich mit
einer Ritterrüstung in den Wilden Westen ziehen lassen? Wir mußten ein dir
gemäßes Kleidungsstück wählen. Daher das Schmetterhemd...«
»Und
so wirst du auch gleich deinen Kriegsnamen erhalten, den Ehrentitel jedes
Westmannes: Lord Schmetterhemd !«
»Lord
Schmetterhemd, Lord Schmetterhemd !« jubelten da alle,
umtanzten mich und ließen mich hochleben, als hätte ich eine Heldentat
vollbracht. Ich ließ sie gewähren, war es mir doch wesentlich angenehmer, eine
so sichere Rüstung zu tragen, als selbst mörderische Waffen benutzen zu müssen.
Ich
darf gleich vorausschicken, daß ich den Namen »Lord Schmetterhemd« von nun an
trug und mit ihm auch eine gewisse Berühmtheit erlangte.
Obwohl
ich glaube, ein eher zurückhaltender Mensch zu sein, steckte mich das Vergnügen
meiner Freunde nun doch an, und es ergriff mich ein Gefühl der Freude. Ich
wollte diesen Augenblick für alle Zeiten festhalten.
»Jetzt
wird fotografiert !« rief ich. Schon eilte ich ins Gebäude,
um aus der Dunkelkammer meine Fotoausrüstung zu holen. Da ich nicht weiß, wie
Fotoapparate und Stative später aussehen werden, und ich hoffe, daß meine
Erlebnisse auch dann noch Leser finden, muß ich kurz erklären, daß zu meiner
Zeit Fotoapparate doch recht unhandliche Holzkästen waren. Man stellte sie auf
ebenso unhandliche, nahezu mannshohe und dreibeinige Holzstative. Zum
Einstellen benutzte man eine Mattscheibe aus Glas, die kurz vor der Aufnahme
durch eine Kassette ersetzt wurde, in der sich die mit Bromsilber präparierte
Glasplatte befand. Diese unvollkommene Beschreibung mag genügen, da sich ja
jeder Leser in Fachbüchern informieren kann.
Das
Stativ über der Schulter, auf
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