Lord Schmetterhemd im wilden Westen
Schützen.
Tante
Turkie flog aus unserem Fenster, Onkel Berni und Onkel Rab mit raschen Sätzen
ihr nach, ich rannte zur Tür, riß meinen Fotoapparat um, doch das war mir
gleich. Cookie Pott keuchte atemlos hinter mir her...
Einige
Männer schrien: »Dort oben war er«, und zeigten auf mein Hotelfenster, das nun
geöffnet war. Sie stürmten ins Haus, doch umsonst, das Zimmer war leer, der
Gauner war über die Hintertreppe in den Hof und von dort auf dem schwarzen
Mustang sofort in die Prärie geflüchtet, die er kannte wie kein zweiter und die
ihm sichere Verstecke bot. Trotzdem wurde ein Suchtrupp beherzter Männer
zusammengestellt. Ihre Anführung übernahm der Farmer, dem der schwarze Mustang
gehörte. Er brannte darauf, bei dieser Gelegenheit nicht nur sein Pferd,
sondern auch den wahren Dieb zu erwischen. So ritten sie aus, in der Hoffnung,
ihn zu finden. Wir hörten die Hufe donnern. Als sie aber am Abend erschöpft
wiederkamen, mußten sie uns mitteilen, daß sie niemanden gefunden hatten.
»Er
entkommt uns trotzdem nicht«, knurrte Onkel Berni. Und keiner fragte, wer mit
>er< gemeint war. Wir wußten es alle.
Doch
das war später. Zunächst kümmerten wir uns um Little-Byrd. Sie war benommen,
aber nicht ohnmächtig. Mit den Händen umklammerte sie ihren schmerzenden
Knöchel. Sie versuchte aufzustehen, es ging nicht. Zirkus-Joe nahm sie auf
seine starken Arme. Jetzt wirkte sie erst recht wie ein aus dem Nest gefallenes
Vögelchen.
Er
trug sie ins Hotel. Sie lächelte tapfer. Die Wut, die Abscheu waren allgemein.
Zirkus-Joe legte sie fürsorglich auf ihr Bett. Lieb sah sie aus mit den
aufgelösten Locken auf dem weißen Kissen, das Gesicht sehr blaß. Tapfer verbiß
sie sich den Schmerz. Aber Tränen liefen ihre Wangen hinab.
Wir
waren alle um sie bemüht — bis auf einen: Onkel Rab saß in dem Lehnstuhl wie
ein Kranker, mit schlaffen Gliedern. Auf der Stirn hatte er sich ein nasses
Tuch gelegt. Da wunderte ich mich, daß auch Besucher aus dem Jenseits so
schwache Nerven haben konnten. Vielleicht spielte er uns nur ein wirkungsvolles
Theater vor.
Cookie
Pott untersuchte den Knöchel, der immer dicker anschwoll. Er bewegte ihn sanft,
meinte: »Der kleine Vogel hat viel Glück gehabt. Oder kann er am Ende gar
wirklich fliegen? Jedenfalls ist der Knöchel nicht gebrochen, aber verstaucht —
Bluterguß — also du wirst lange Ruhe brauchen, kleine Tänzerin .«
»Und
wir können nicht auftreten ?« fragte Zirkus-Joe
unglücklich.
»Ganz
ausgeschlossen!«
Zirkus-Joe
schien ganz gebrochen, bis ich ihn daran erinnerte, daß er ja von Häuptling
Blinde-Kuh ein Beutelchen mit Nuggets bekommen hatte. Die halfen über die erste
Zeit. Dann würde man weitersehen.
Tante
Turkie zupfte Little-Byrd das Kopfkissen zurecht .
Onkel Rab hockte sich auf das Fußende ihres Bettes, Onkel Berni zog sich einen Lehnstuhl
herbei.
Und
alle drei erklärten übereinstimmend: »Wir leisten dir Gesellschaft .«
Da
freute sich Little-Byrd.
Ich
aber nahm Cookie Pott am Arm, um mit ihm in mein Zimmer zu gehen. Ich erinnerte
mich nämlich plötzlich des flüchtigen Schattens. Mir kam ein Verdacht. Und kaum
hatten wir die Tür geöffnet, da sahen wir, daß ich mich nicht geirrt hatte.
Schlimme Entdeckung
Uns
empfing ein saftiges Durcheinander. Ein Wilder hatte mein Bett
auseinandergerissen, die Decken, das Kissen, das Leintuch lagen langgestreckt
und wirr in der Stube verstreut. Tisch und Stühle hatte man umgeworfen.
Vielleicht aus Wut, weil in meinem Bett nichts zu finden gewesen war?
Die
Kiste, in der ich meine Fotomaterialien transportierte, stand in der Mitte des
Teppichs auf dem Kopf. Cookie Pott untersuchte den Verschluß, rief: »Man wollte
sie aufbrechen !« Und ich antwortete: »Gut, daß ich sie
abgeschlossen hatte. Offenbar hat der Dieb nicht genügend Zeit gehabt .«
»Also
hat man ihn gestört ?«
»Nun,
jedenfalls hatte er bei meiner Reisetasche Erfolg !« Sie lag mit klaffender Öffnung auf der Seite, ihr Inhalt hatte sich über den
Fußboden ergossen — Hemden, Pantoffeln, Schlafanzug, Waschzeug, alles, was ich
bisher nicht ausgepackt hatte.
»Der
Beutel mit den Nuggets fehlt...« rief ich.
»Verdammt«,
stieß Cookie Pott hervor.
»Ja,
sehr verdammt«, mußte ich bestätigen. »Eben erst habe ich die ganze Stadt
bewirtet .«
»Sind
wir jetzt pleite ?«
»Wann
wäre ich es nicht«, brummte ich. »Doch ist es noch nicht ganz so schlimm.
Einiges Kleingeld und ein paar Goldkörner hatte ich ja in der
Weitere Kostenlose Bücher