Lord Stonevilles Geheimnis
wütend auf ihn hätte sein müssen, denn es war gut möglich, dass jemand diese Sensationsmeldung an die Londoner Klatschpresse weitergab und Nathan auf diese Weise davon Kenntnis erhielt. Warum war sie Oliver also nicht böse?
Weil er sie vor einer Peinlichkeit bewahren wollte. Und weil er nur selten etwas aus einem Impuls heraus sagte. Wenn man bedachte, wie vehement er die Ehe ablehnte, war es doch höchst verwunderlich, wie leichtfertig ihm ein solcher Schnitzer unterlaufen war. Es gab ihr die Hoffnung, dass …
Nein, keine Hoffnung! Er hatte sich schließlich äußerst betroffen über seinen Versprecher gezeigt.
Die Frau, mit der Lady Tarley gesprochen hatte, eilte zu Mrs Plumtree, die von einem Ohr zum anderen zu grinsen begann, nachdem die Frau ein paar Worte zu ihr gesagt hatte. Dann schaute Mrs Plumtree zu Maria herüber, und zu Marias großer Überraschung zwinkerte sie ihr zu.
Sie zwinkerte ihr zu! Maria wusste nicht, was in den vergangenen Stunden geschehen war, aber offenbar hatte sich Mrs Plumtrees Einstellung zu ihr vollkommen verändert. Plötzlich schien sie sie voll und ganz als Ehefrau für Oliver zu akzeptieren.
Du liebe Güte! Maria drängte sich das Gefühl auf, dass der Abend nicht nach Olivers Wünschen verlaufen würde. Und das Schlimmste daran war, dass sich ein winziger, törichter Teil ihres Herzens darüber freute.
19
Oliver hastete fluchend hinter Kitty her. Wie hatte es diese rachsüchtige Kreatur nur wagen können, Maria zu beleidigen! Sie hatte so beschämt ausgesehen – war es da ein Wunder, dass ihm dieser Schnitzer unterlaufen war? Er hätte die Frau am liebsten erwürgt.
Kitty hasste ihn, weil er nicht auf ihre Annäherungsversuche eingegangen war, als sie noch ein Verhältnis mit seinem Freund Anthony gehabt hatte. Kurz darauf hatte Anthony mit ihr gebrochen, und sie hatte angenommen, Oliver hätte seinem Freund etwas gesteckt. Seit diesem Tag strafte sie ihn mit Verachtung. Dabei hatte Anthony ganz von alleine erkannt, dass Kitty eine falsche Schlange war.
Und nun war Maria durch ihre Schuld noch tiefer in seinen Zwist mit der Großmutter hineingeraten. Kitty hastete kreuz und quer durch den Saal und hatte offensichtlich ihre helle Freude daran, das neueste Gerücht unter die Leute zu bringen.
Das hatte zur Folge, dass Oliver keinen Schritt mehr machen konnte, ohne von jemandem angehalten und gefragt zu werden, ob er tatsächlich mit »dem amerikanischen Mädchen« verlobt sei. Anfangs versuchte er noch abzuwiegeln und den Leuten zu erklären, es sei noch nicht offiziell, doch dann gab er auf. Das Gerücht von seiner Verlobung verbreitete sich in Windeseile unter den Gästen, und wenn er es leugnete, goss er nur Öl ins Feuer.
Plötzlich entdeckte er seine Großmutter, die mit Kittys bester Freundin redete, und ihn überkam große Erleichterung. Seine Großmutter versuchte sicherlich schon, den Klatschbasen das Maul zu stopfen. Und wenn ihr tatsächlich etwas daran lag, die Gerüchte zum Verstummen zu bringen, dann war er auf Siegeskurs, weil er ihr damit drohen konnte, die Zeitungen von seiner Verlobung in Kenntnis zu setzen, wenn sie nicht einlenkte. Schließlich würde ihr gar keine andere Wahl bleiben, als das Ultimatum aufzuheben.
Aber … sie verhielt sich ganz und gar nicht so, als wollte sie die Geschichte dementieren. Sie unterhielt sich sehr angeregt mit der anderen Frau. Plötzlich sah sie freudestrahlend zu ihm herüber, und ihm wurde schlagartig klar, dass er alles missverstanden hatte. Alles .
Seine Großmutter hatte ihn gründlich in die Irre geführt. Es war alles nur Schau gewesen: dass sie Maria kaufen wollte, ihre missbilligenden Blicke und die abfälligen Bemerkungen … Damit hatte sie ihn genau in die von ihr gewünschte Richtung getrieben. Der Herrgott möge ihm beistehen!
Mit einem unerträglichen Gefühl der Ausweglosigkeit beobachtete er, wie seine Großmutter die Herzogin an ihrem Platz aufsuchte und ihr etwas zuflüsterte. Dann erhob sich die Herzogin und schlug mit dem Löffel gegen ihr Glas, und seine Großmutter gab mit einem triumphierenden Lächeln die Verlobung ihres Enkels, des Marquess von Stoneville, mit Miss Maria Butterfield aus Dartmouth, Massachusetts, bekannt.
Alle Blicke richteten sich auf ihn, und das Getuschel begann von Neuem.
Oliver konnte es nicht fassen. Wie hatte er nur so blind sein können? Er hatte die Schlacht verloren und vielleicht sogar
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