Lord Tedric 02 - Raumpiraten
nur.
Die Feier dauerte die ganze Nacht – oder war es Tag? Tedric hatte in seinem ganzen Leben keinen Wein oder ein anderes berauschendes Getränk getrunken, und so dauerte es nicht lange, bis seine Umgebung vor seinen Augen verschwamm und seine Knie unter ihm nachgaben. Alles kam ihm plötzlich zum Schreien komisch vor. Wilsons schmutzige Lieder fand er lustig, doch er hätte brüllen mögen vor Lachen, als Ky-shan im Stehen einschlief und auf zwei Frauen fiel, die in seiner Nähe auf dem Boden saßen. Er hielt sich den Bauch vor Lachen, als Nolan, der auf einer der verrotteten Maschinen einen gewagten Tanz vorführte, ausglitt und mit einem Purzelbaum herabstürzte. Alles erschien ihm komisch, alles, was die anderen taten, sagten, vorführten. Alles war warm, süß, köstlich, erfreulich, komisch. Von einem Augenblick zum andern war Tedric eingeschlafen. Er schlief, wie er vorher noch nie geschlafen hatte – traumlos, dunkel, warm, süß und sehr komisch.
Als er erwachte, fand er an dem kleinen Raum und den Menschen, die mehr oder weniger be- oder entkleidet überall herumlagen und schliefen, nichts mehr komisch. Die Luft roch sauer nach abgestandenem Wein und den Ausdünstungen der Menschen. Verzweifelt faßte sich Tedric an den Kopf, hielt sich den Bauch. Er wußte nicht, ob er stöhnen, weinen, schreien oder sich erbrechen sollte. Sein Mund war ausgetrocknet, er hatte einen pelzigen Geschmack auf der Zunge.
Eine schwere Hand legte sich auf seine Schulter. »Es wird Zeit. An sich müßten wir jetzt schon zweihundert Meilen im Orbit sein.«
Tedric hob den Kopf und blinzelte schwerfällig nach oben. Deutlich erkannte er den Umriß der Hand auf seiner Schulter, doch das Gesicht darüber verschwamm ihm vor den Augen. Nur an der Stimme erkannte er, daß es Wilson war.
»Wilson«, murmelte er schwach.
»Nun, daß ich nicht der Beherrscher des Universums bin, weiß ich.«
Verwirrt blinzelte Tedric. Er erkannte Wilsons Gesicht nun, so strahlend, leuchtend und fröhlich wie immer. Er konnte ein Stöhnen nicht unterdrücken. Das Leben erschien ihm plötzlich so ungerecht. Wilson hatte mehr getrunken als Tedric, Nolan, Keller und Ky-shan zusammen.
»Hast du eben ›Orbit‹ gesagt?« fragte Tedric mit schwerer Zunge.
»Während ihr hier euren Rausch ausgeschlafen habt, habe ich zusammen mit ein paar Frauen auf dem Flughafen eine Fähre gemietet. Mein eigenes Schiff befindet sich jetzt im Orbit, und ich habe es eilig, dorthin zu kommen, denn hier dürfte für uns das Pflaster langsam ziemlich heiß werden. Seid ihr euch klar darüber, daß wir die ersten Kreaturen sind, die lebend aus dem kaiserlichen Gefängnis entkommen sind? Ich jedenfalls möchte nicht so lange hierbleiben, daß unsere Häscher unsere Spur aufnehmen können. Für sie ist auch die Unterwelt nicht undurchdringlich.«
»Und du willst tatsächlich die Erde heute verlassen?« Wilson warf einen Blick auf den Chronometer, der in seinem linken Handgelenk eingebaut war.
»In genau dreißig Minuten. Du weckst jetzt bitte die anderen.«
Wilson senkte die Hand, und Tedric nahm dies als Aufforderung, aufzustehen. Er schaffte es auch, auf die Knie zu kommen, doch dann drehte sich ihm alles vor seinen Augen, und er mußte eine Pause einlegen, um wieder zu Atem zu kommen. In diesem Moment begannen seine Sinnesorgane wieder normal zu arbeiten. Er wurde sich der eintönigen Melodie des gleichmäßigen Schnarchens bewußt, daß aus etwa einem Dutzend verschiedener Münder den Raum erfüllte. Und er erkannte einige Gesichter der Schlafenden. Er fand Nolan, Keller und Ky-shan. Der Wykzl hatte vorher, wenn er überhaupt jemals schlief, auf den Füßen stehend geschlafen, doch jetzt lag sein großer, blaufelliger Körper ausgestreckt zwischen den Leibern der anderen Schlafenden.
»Du hättest mich wenigstens vorwarnen können, Wilson«, brummte Tedric und strich sich mit der Hand über die Stirn.
Wilson lachte. »Es ist schwer, jemanden vor etwas zu warnen, das man selbst nicht kennt.«
»Willst du damit sagen, daß du dich nicht vergiften oder berauschen kannst?«
»Hast du mich letzte Nacht nicht beobachtet? Natürlich kann ich mir einen Rausch antrinken, doch für einen Roboter ist das kein Problem. Wenn ich am nächsten Morgen nicht mit einem dicken Kopf aufwachen will – ein Roboter schläft ohnehin nie – leere ich nur meine Leitungen und lasse die verunreinigte Körperflüssigkeit ablaufen. Das bedeutet zwar, daß ich für etwa eine halbe Stunde
Weitere Kostenlose Bücher