Lords of Salem: Roman (German Edition)
möglicherweise nun so groß, dass sie Satan und seinen Lakaien abschwören würde, falls man ihr die Gelegenheit dazu gab. Nein, sagte eine strengere und härtere Stimme in seinem Kopf. Sie hatte ihre Chance gehabt. Nun war es zu spät. Gottes Gnade würde ihr nicht gewährt werden.
Hawthorne ignorierte Morgans Schreie und das Kreischen der verbrennenden Hexen, ignorierte den Gestank des brennenden Fleischs und den Rauch, der zum Kamin aufwallte, und setzte den letzten Nagel an dem Loch in der Mitte der Stirn an.
» Du hast deine Seele an den Teufel verkauft«, sagte er. » Und zum Teufel wirst du nun fahren.«
Er wartete einen winzigen Moment, dann schlug er den Hammer fest auf den Nagelkopf und trieb die Spitze durch den Knochen in den Kopf der Hexe. Blut quoll unaufhaltsam aus den Löchern in der Maske, Morgan zuckte heftig, dann wurde sie mit einem Mal ruhig.
Endlich tot , dachte Hawthorne. Er wandte sich ab und versuchte, nicht an die Drohungen zu denken, die sie zuletzt gegen ihn und seine Kinder ausgestoßen hatte. Was hat sie damit gemeint, dass sie Salems immerwährende Plage sein würden? Nein, es ist besser, sich nicht darüber den Kopf zu zerbrechen, sagte er sich. Das waren die Flüche einer verwirrten Frau in Todesangst. Wie schon früher, wie immer hatte Gott ihn beschützt. Gott wird uns auch weiterhin schützen, dachte er und achtete darauf, Virgils Leiche nicht anzusehen. Er sagte sich, sie hätten nichts zu befürchten, doch völlig überzeugt war er davon nicht.
7
Montag
D ie Stadt Salem hatte sich im Lauf der Jahre stark verändert. Die Feldwege und Fahrspuren waren von gepflasterten Straßen ersetzt worden. Im Hafenviertel, das früher durch den Gewürzhandel so geschäftig und lebhaft gewesen war, wimmelte es nun von Läden für die Touristen, die das ganze Jahr über nach Salem kamen und sich für die Vergangenheit interessierten. Der einzige Dreimaster im Hafen war ein Nachbau, der als Museum diente. Es gab noch ein paar Fischerboote, aber der Großteil des Gewerbes war ein kleines Stück weggezogen, in die betriebsamere Stadt Gloucester. Das Zollhaus, in dem Hawthorne damals gearbeitet hatte, stand noch, ein stattliches Gemäuer aus roten Ziegeln und weißen Säulen, das an ein Schulhaus erinnerte. Durch die Gegend, wo die Hexen getötet worden waren, zog sich nun eine gepflasterte Fußgängerzone: Touristenshops, Hexenmuseum, Hexentouren. Vor einem Pferdewagen, an dem Kappen und T-Shirts verkauft wurden, warteten zwei Frauen mit » Ich bin eine Wicca«-Aufnähern darauf, alle möglichen Fragen zu beantworten.
Ein paar Häuserblocks vom Zentrum entfernt änderte sich der Charakter von Salem jedoch. Die Straßen wurden ruhiger, weil die Touristen sich selten von der Uferpromenade und den Museen dort entfernten. Hier waren die Straßen alt und die Häuser auf traditionelle Weise blaugrau oder dunkelrot gestrichen. Die neueren stammten aus der Viktorianischen Zeit, imposante Gebäude, die heutzutage oft in mehrere Wohnungen aufgeteilt waren. Doch darunter gab es auch Amtsgebäude mit Sprossenfenstern und Walmdächern, deren Fassaden mit breiten Holzbrettern verkleidet waren. Weniger stark vertreten, aber immer noch vorhanden war der ältere Georgianische Kolonialstil, hölzerne und scheunenähnliche Bauwerke mit Mansardendächern, flachen Fassaden und doppelten Schiebefenstern. Noch seltener waren die alten Holzhäuser aus den Anfangsjahren der Kolonie, deren Dächer sich auf einer Seite weit herunterzogen und deren sehr wenige Fenster aus rautenförmigen kleinen Scheiben zusammengesetzt waren. In diesen Straßen konnte man die Geschichte Salems sehen und sich vorstellen, wie die ersten Siedler Schulter an Schulter mit ihren Nachkommen standen, und wenn man sich an der richtigen Stelle vor dem richtigen Haus befand, konnte man sogar den Eindruck bekommen, dass die Vergangenheit nicht vergangen war.
Von außen gab das Haus wenige Hinweise darauf, wie es in Heidi Hawthornes Wohnung aussah oder was für ein Mensch sie war. Es wirkte wie ein typisches Gebäude aus der mittleren Viktorianischen Periode in einer malerischen Straße in diesem perfekt erhaltenen und abwechslungsreichen historischen Viertel, obwohl dieses spezielle Haus nicht in ganz so gutem Zustand war wie die übrigen. Der weiße Anstrich war verwittert, und die graugrünen Fensterläden verliehen dem Haus eine etwas finstere Ausstrahlung. Es würde nicht lange dauern, bis die Farbe abblätterte und die Besitzerin Besuch
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