Lords of Salem: Roman (German Edition)
und taumelte zum Bad. Auf halbem Weg blieb sie stehen und stützte sich an der Wand ab.
Mein Gott, hatte sie einen Kater. Sie sollte wirklich nicht so viel trinken – wenn man bedachte, dass sie vor einem Jahr alles andere als clean gewesen war, schien das keine besonders clevere Idee. Wenn Herman nicht gewesen wäre, hätte sie damals ihren Job verloren, und wo stünde sie dann jetzt? Sie hatte ihn dafür gehasst, dass er in der Klinik angerufen und sie gezwungen hatte, dorthin zu gehen. Sie hatte einige kaum verzeihliche Dinge gesagt, doch jetzt war sie dankbar. Nein, sie musste vorsichtig sein – ein Glas zu viel, und wer weiß, was sie tun würde?
Sie wartete eine Minute, bis das Pochen in ihrem Kopf sich beruhigte, dann ging sie weiter.
Das Bad war weniger charakteristisch als das Schlafzimmer, obwohl auf dem Behälter der Klospülung ein WXKB -Aufkleber prangte. Das Waschbecken stand voller Bürsten und Schminkutensilien, und ein Föhn balancierte besorgniserregend auf der Handtuchstange. Widerwillig und besorgt näherte sie sich dem Spiegel. Sie bemerkte, dass ihr Augen-Make-up verschmiert war.
» Mein Gott, Steve«, sagte sie. » Ich sehe aus wie ein beschissener Waschbär.«
Als er seinen Namen hörte, trottete der Hund langsam ins Bad. Er blickte sie erwartungsvoll an.
» Warum hast du mich nicht daran erinnert, mich abzuschminken?«, fragte sie.
Steve legte verwirrt den Kopf zur Seite, und sie schob ihn mit dem Fuß hinaus, um die Tür zu schließen. Sie setzte sich auf die Toilette, lehnte den Kopf gegen die kühle Keramik des Waschbeckens vor ihr und stöhnte leise. Ihr Kopf tat wirklich weh. Nein, sie musste aufhören, sich einzureden, dass sie sich nur ein kleines Gläschen genehmigen würde. Es blieb nie bei einem Drink. Beim Pinkeln starrte sie auf die Badewanne, ihr Blick wurde langsam unfokussiert, und sie spürte, wie sie wegzudämmern begann. Nicht auf dem Klo einschlafen , ermahnte sie sich. Auf dem Klo schlafen ist schlecht. Wie spät war es gewesen, als sie nach Hause kam? Drei? Vier? Auf jeden Fall zu spät, besonders, wenn man am nächsten Tag arbeiten musste.
Sie begann, sich wieder in Gedanken zu verlieren, ihr Blick trübte sich, und der Schlaf drohte sie zu übermannen. Sie hob den Kopf vom Waschbecken, streckte den Arm aus, drehte das Wasser auf und spritzte sich etwas ins Gesicht. Es war so kalt, dass sie nach Luft schnappte. Das sollte helfen , dachte sie. Aber nur einen Moment später verschwamm wieder alles vor ihren Augen. Sie brauchte mehr Schlaf. Doch sie hatte keine Zeit mehr. Also brauchte sie Kaffee, etwas, das sie munter machte und ihre Stimmung hob.
Und als sie das dachte – etwas, das ihre Stimmung hob – , sah sie kurz vor sich, wie sie sich die Nadel in den Arm stach. Sie dachte daran, wie es sich angefühlt hatte, als sie noch drauf war, wie sie den Kolben ein wenig zurückzog und ihr Blut hineinströmen sah, wie sie sich alles in die Vene drückte und die Aderpresse herunterriss. Wie der Flash kam, ganz plötzlich, und wie viel besser sie sich dann fühlte. Wie sie im Halbschlaf vor sich hin dämmerte und sich treiben ließ. Bis die Wirkung nachließ und sie sich nicht mehr gut fühlte, sondern nur noch ängstlich, und den nächsten Rausch kaum erwarten konnte.
Und das genügte, um sie aufzuwecken. Nein, sie war davon weg, sie hatte nicht einmal mehr Kontakt zu Leuten aus dieser Welt. Es waren ohnehin nicht mehr alle dabei. Manche waren weggezogen, andere hatten wie sie aufgehört, mindestens einer war tot. Ihr Freund Griff, tot, sein Herz war einfach stehen geblieben. Ohne Vorwarnung, einfach nicht mehr aufgewacht. Eineinhalb Tage dagelegen, bis zufällig jemand über ihn gestolpert war. Sie hatte ihn seit der Highschool gekannt, als sie beide ganz normale Kinder waren. Er hatte immer auf sie aufgepasst. Warum er mit dem Stoff angefangen hatte, warum sie es getan hatte, das war schwer zu sagen, es gab keine logische Erklärung dafür. Ihre Eltern waren in Ordnung gewesen, sie hatte gute Freunde gehabt, war als Kind in die Kirche gegangen. Klar, sie hatte ein wenig rebelliert, aber taten das nicht alle? Sie begriff nicht, wie es letztlich dazu gekommen war. Griffs Tod hätte ein Weckruf für sie sein sollen, aber sie hatte erst aufgehört, als Herman sie in der Klinik anmeldete.
Sie dachte jeden Tag ans Spritzen, sie konnte einfach nicht anders – die Ex-Junkies, die ihr geholfen hatten, von der Sucht loszukommen, hatten ihr gesagt, dass diese Gedanken
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