Lords of Salem: Roman (German Edition)
brennende Holzpuppe zu bewegen, als erwachte sie zum Leben. Morgan nickte erneut. Sie begann, ihre Aufforderung zu wiederholen, doch es war bereits eine weitere Hexe vorgetreten, eine bucklige Frau, die eher einem Tier als einem Menschen ähnelte. In ihrer schmutzigen Mähne hingen Blätter und Fetzen, und ihr Haar sah aus, als wäre es noch nie gewaschen worden. Sie riss die Arme empor.
» Sprich, Sarah«, sagte Morgan. » Der Dunkle Lord hat seinen Kopf durch die Bresche gesteckt, die wir in der Wand der Hölle geschaffen haben, und wartet darauf, dass du ihm ein Zeichen gibst und ihn in diese Welt des Schmerzes gebärst.«
Sarah stieß ein raues Lachen aus. » Ich verschreibe meinen Geist, meinen Körper und meine Seele den Plänen Satans, unseres Herrn, und seinen Jüngern!«
Wieder erhob sich das Feuer, und die in Flammen gehüllte Puppe schien sich zu winden. » Er kommt«, zischte Morgan. » Er kommt!«
Zwei weitere traten Hand in Hand vor. Zuerst wirkten sie im flackernden Feuerschein wie Mutter und Kind, aber als sie sich ganz ins Licht begaben, wurde offenbar, dass es sich um eine verwitterte alte Hexe und eine zwergenhafte Frau handelte. » Sprich, Martha. Sprich, Elizabeth«, sagte Morgan.
» Wir treten das Kreuz mit Füßen!«, kreischte die Zwergin mit hoher zitternder Stimme.
Die der Hexe war tiefer, aber brüchig, als wäre ihr die Hälfte der Stimmbänder herausgerissen worden. » Wir spucken auf das Buch der Lügen!«, sagte sie.
Das Feuer flackerte kurz. Dann stieg es noch höher als zuvor, sodass die ganze Hütte in Brand zu geraten drohte. Die Holzpuppe war von einem Augenblick auf den anderen von den Flammen verzehrt worden, und das Feuer nahm einen rötlichen Farbton an. Und obwohl die Puppe verschwunden war, schienen die Flammen sich nun zu winden und zu biegen wie Gliedmaßen, und eine seltsame menschenähnliche Gestalt blitzte gelegentlich über der Kohle auf, die längst verbraucht war und trotzdem weiterbrannte.
Morgan ließ das Baby herabsinken, bis es gleich neben dem Feuer in ihren Händen strampelte. Die Flammen schienen es dort zu spüren und streckten sich nach dem Kind, leckten danach, als wollten sie es verschlingen.
Morgan musste schreien, damit man sie durch das Brüllen des Feuers verstand. » In Treue zu unserem Herrn Satan versprechen wir, jeglichen anderen Glauben zu missachten. Macht euch bereit, diese falschen Körper zu schänden! Entblößt euch!«
Um sie herum begannen die Hexen, ihre schmutzigen Kleider und Lumpen und Felle zur Seite zu werfen und sich schnell auszuziehen, bis sie splitternackt vor den tosenden Flammen standen. Ihre Körper waren mit Blut beschmiert und mit unheiligen Zeichen bemalt. Die Symbole ähnelten Buchstaben, aber keinen aus einem menschlichen Alphabet, und sie schienen fast lebendig, wie sie sich auf der Haut wanden und schlängelten, als der Hexenzirkel sich wiegte und in Bewegung setzte. Es waren Runen, aber wiederum keinem bekannten System zugehörige, und wenn die Frauen zu dicht ans Feuer kamen, züngelten die Flammen nach ihnen und erfüllten die Zeichen mit einem unirdischen Glühen. Sie waren alle unterschiedlich, nur zwischen den Brüsten trugen sämtliche Frauen dasselbe Symbol: einen Kreis, der ein umgedrehtes Kreuz enthielt, dessen Enden oben und unten in einen nach außen gerichteten Halbkreis mündeten: das Zeichen ihres Hexenzirkels.
Morgan nickte kurz, und unvermittelt begannen sie, im Gleichklang zu sprechen. Die Flammen sprangen und tanzten im Rhythmus ihrer Worte.
» Gemeinsam entweihen wir die Hure Jungfrau Maria! Gemeinsam schmähen wir den Heiligen Geist. Gemeinsam lachen wir über das Leiden des falschen Erlösers!«
» Schwestern!«, schrie Morgan. » Nehmt eure Werkzeuge und befreit unseren Meister!«
Die nackten Frauen wandten sich kurz um und tasteten auf dem Erdboden hinter sich nach ihren halbkaputten und improvisierten Musikinstrumenten. Eine hatte eine Art Violine, an der die Hälfe der Saiten fehlte und die sie mit einem knorrigen Stock spielte, wodurch ein unwirkliches Kreischen entstand, ein Geräusch, als würde eine Katze gequält. Eine andere hielt eine aus einem Knochen geschnitzte Flöte, die ein durchdringendes hohes Pfeifen von sich gab. Wieder eine andere hatte eine mit Tierhaut bespannte Schüssel, auf der sie im Takt zu den Schreien des Babys trommelte. Sie alle spielten eine unterschiedliche Melodie, und die daraus entstehende Kakophonie wirbelte um das Feuer und verschmolz mit den
Weitere Kostenlose Bücher