Lords of Salem: Roman (German Edition)
irgendeiner Form handeln konnte. Sie war dort, wo zuvor das Tier gewesen war. Und das Tier hatte ihren Platz eingenommen.
O Gott , dachte sie, was geschieht mit mir? Sie versuchte aufzuschreien, doch der Schrei erklang nur im Inneren, während sich in der Außenwelt ihre Lippen zu einem Lächeln verzogen. Das Tier fühlte sich in ihrem Körper wohl, genoss es, ihn zu kontrollieren, und würde ihn wohl kaum freiwillig aufgeben. Wie hatte sie es befreit? Es war nicht ihre Schuld. Sie hatte es nicht gewollt. Nein, es war die Musik. Die Musik hatte das ausgelöst. Mach das Radio aus , versuchte sie, zu Jarrett zu sagen. Mach es aus, bevor es zu spät ist!
Doch während sie sich vergeblich zu sprechen bemühte, wurde ihr klar, dass es schon zu spät war.
Sie spürte, wie ihr Körper sich wand und auf Jarrett niederstieß, während das Tier ihn zu immer wilderen Bewegungen trieb. Jarretts Brust war gerötet und zerkratzt, und vielleicht hatte sie ihn ein wenig verletzt. Sie konnte das Tier nicht aufhalten, sie konnte es nur ein wenig bremsen. Aber auch dieser Rest an Kontrolle drohte ihr zu entgleiten, und sie hatte Angst davor, was es dann mit Jarrett oder ihr selbst anstellen würde. Der Song ging dem Ende entgegen, hoffte sie, oder erreichte zumindest ein Crescendo, und wenn sie nur durchhalten und ein gewisses Maß an Kontrolle behalten könnte, würde sie sich vielleicht wieder in den Griff bekommen und das Tier zurück in seinen Schlummer zwingen können, sobald das Lied vorbei wäre. Sie kämpfte gegen das Tier an, mit aller Kraft, und das Tier spürte es und knurrte sie an und kratzte Jarrett mit ihrer Hand und stieß noch härter auf ihn nieder.
Der Dämon ließ ihr gerade genug Freiraum, damit sie spüren konnte, was er spürte. O Gott, es fühlte sich gut an, sich so gehen zu lassen. Das Tier war sie, und es war nicht sie. Sie konnte sich selbst in ihm und seinem Verhalten erkennen – die Dinge, die sie getan hatte, wie sie ihrem Verlangen und ihren Trieben im Laufe der Jahre nachgegeben hatte. Doch zugleich fürchtete sie sich davor. Sie wusste, dass es nicht aufhören würde. Es würde zu weit gehen. Sie hatte das schon immer in sich gespürt, dieses Verlangen, zu weit zu gehen – vielleicht trug das jeder in sich, und vielleicht war sie nicht die Einzige mit einem Tier in sich, doch die meisten Menschen konnten es in Schach halten. Sie hatte es bisher ebenfalls unter Kontrolle gehalten – es manchmal ein wenig aufgeweckt, es am Spaß teilhaben lassen, aber nur in einem Dämmerzustand, ehe sie es anschließend wieder bewusstlos geschlagen hatte. Doch die Musik, irgendetwas an diesem Song, hatte die Gewichte verschoben, sodass sie nun groggy und fast besiegt war, während die Lust sie erfüllte. Es fühlte sich so gut an! Vielleicht könnte sie es ein bisschen weitergehen lassen, nur ein klein wenig, und dann dennoch die Kontrolle wiedererlangen und das Tier niederdrücken. Oder vielleicht würde es genügen, wenn der Song endete, sodass sie die Kontrolle wiedergewann, ehe das Tier etwas Unbedachtes tat und Jarrett abschlachtete.
Denn darauf würde es hinauslaufen, wurde ihr plötzlich bewusst. Es war toll, mit Jarrett Sex zu haben, dachte das Tier, aber wie viel besser wäre es, ein wenig weiter zu gehen und mit Maisies Nägeln nicht nur über seine Brust zu kratzen, sondern ihm die Augen auszustechen, ihm die Kehle zu zerfetzen, auf seinen Kopf einzuschlagen, bis er nur noch eine breiige Masse war, ihn nicht nur zu ficken, sondern zu töten, und dann zu sehen, was man mit seinem Leichnam anstellen könnte? Mit dem, was von seinem Körper übrig war.
In ihrem Inneren schreckte sie davor zurück und begann zu schreien. Doch sie hatte nicht das Kommando. Nein, das Tier hatte das Kommando.
Der Song muss bald zu Ende sein , sagte sie sich. Bitte, lieber Gott, mach, dass der Song aufhört.
Im Sender waren die Lämpchen sämtlicher Telefonleitungen aufgeleuchtet. Francis und das Big-H-Team warteten darauf, dass das Lied endete.
» Komplette Weihnachtsbeleuchtung«, sagte Herman und deutete auf die Anzeigen. » Ich schätze, der Scheiß hat einen Nerv getroffen. Oder die Aufsichtsbehörde ruft an, um uns die Lizenz zu entziehen.«
Francis, der auf dem Weg zur Tür war, blieb stehen und drehte sich um. Er berührte Heidi leicht an der Schulter. Sie zuckte ein wenig zusammen und sah ihn fragend an.
» Ich möchte mich entschuldigen. Es tut mir wirklich leid, dass ich auf Ihre Frage so überreagiert
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