Lords of Salem: Roman (German Edition)
sich in ihre Haut bohrte. Doch jetzt fühlte sich die Musik ein wenig anders an. Dicker und härter, eher wie ein Nagel oder Stachel. Und es war auch nicht länger so, als dränge ein Haken in ihren Leib, sondern so, als würde etwas zunächst durch das eine und dann durch das andere Auge geschlagen. Als würde sie vor Verlangen erblinden. Warum sollte sich das gut anfühlen? Was ist mit mir los, dass ich solche Gedanken habe, irgendeine beschissene Verstümmelungsfantasie? , fragte sie sich, und einen Augenblick lang versuchte sie, sich davon zu befreien. Aber da war die Musik. Etwas daran war zu hartnäckig, und es zog sie weiter hinein, durchflutete ihren Körper und ihren Geist.
Sie stieß ein Keuchen aus.
» O Gott!«, sagte sie. » Dreh das lauter … Dreh lauter! Ich muss das lauter hören!«
Unter ihr geriet Jarrett erneut aus dem Rhythmus, aber sie machte einfach weiter, immer schneller, während sie dem feuchten swip, swip, swip lauschte, das ihre Bewegungen hervorriefen. » Was, uh, okay …«, sagte er schließlich. » Okay.« Er griff zur Seite, tastete nach dem Lautstärkeregler des Radios, war jedoch nicht schnell genug.
» Lauter!«, schrie Maisie Mather.
Dann fand er den Knopf und drehte die Musik so laut wie möglich. Der winzige Lautsprecher übersteuerte, aber Maisie war das egal. Irgendwie machte das die Musik sogar noch besser. Und sie stand nun neben sich, wusste nicht mehr genau, wer sie überhaupt war. Die Musik war eine Art unharmonischer, aus der Spur geratener Metal, aber mit einem treibenden Beat im Hintergrund. Sie floss in sie und durch sie hindurch, und darunter konnte sie noch etwas anderes hören, eine Art Sprechgesang, fast wie eine Beschwörungsformel, aber rückwärts. Es waren Stimmen, und sie riefen ihr etwas zu. Sie konnte sie fast verstehen, hörte fast, was sie ihr sagten, was sie ihr auftrugen.
» Lauter!«, schrie sie erneut. » Lauter!«
» Bleib locker«, sagte Jarrett. » Lauter geht’s nicht!«
Sie bewegte sich schneller und schneller, stieß ihn härter und härter. Selbst wenn sie hätte aufhören wollen, hätte sie es wahrscheinlich nicht gekonnt. Unter ihr versuchte Jarrett nur noch durchzuhalten. Sie grub ihre Nägel in seine Brust, und er schrie auf. Es störte sie nicht, dass sie ihn ein wenig verletzt hatte. Sie machte einfach weiter, während die Musik sie durchströmte.
In ihr warf eine schlummernde Bestie den Kopf zurück und wurde aufmerksam. Sie drückte ihr Ohr gegen die Innenseite des Schädels und lauschte durch die Musik dem verborgenen verkehrten Gesang. Einem Chor, den Maisie gar nicht wahrgenommen hatte, bevor das Wesen es tat. Maisie spürte, wie es in ihr geiferte, und dann öffnete es den Mund und begann zu sprechen.
» Maisie Mather«, sagte es, und sie spürte, wie ihr Name dumpf durch ihren Schädel hallte. Es war die Stimme eines Tiers, und die Worte klangen verstümmelt und unnatürlich, aber sie konnte sie trotzdem verstehen, hörte trotzdem ihren Namen. Und kaum hatte es ihn ausgesprochen, da begriff sie, dass auch der Chor ihn sang: Er rief sie, rief ihren Namen. Etwas in ihr, etwas Tierisches, von dessen Existenz sie nichts geahnt hatte, hatte den Ruf gehört und antwortete für sie. Und nun lauschte es auf die versteckten Botschaften in der Musik.
Plötzlich hatte sie große Angst.
Doch der Teil von ihr, der diese Angst empfand, war in einem dunklen Strom gefangen, der durch ihren gesamten Körper rauschte. Ihr Körper schien ihr nicht mehr zu gehorchen; er bewegte sich schnell und heftig, fast ohne ihr Zutun. Die Bestie, die den Kopf zurückgeworfen hatte, war nun vollständig erwacht, und sie spürte, wie das Wesen sich langsam streckte und in ihr ausbreitete, wie seine Glieder in ihre Arme und Beine glitten, wie seine Brust sich dehnte, bis sie ihre eigene ausfüllte, und sogar darüber hinaus, sodass ihre Rippen zu brechen drohten. Jarrett unter ihr war erstaunt, vielleicht auch ein wenig ängstlich, aber er genoss es, wie sie immer weiter und weiter machte. Hilf mir , versuchte der verbliebene Teil von ihr ihm mitzuteilen, doch aus ihrem Mund drang lediglich ein Stöhnen, eine Mischung aus Erregung und Schmerz. Das Tier schnüffelte in ihrem Schädel herum und schob sich langsam zu den Rändern vor, bis sein Kopf den ihren ausfüllte und Maisie Mather zu einer kleinen Insel in ihrem eigenen Gehirn degradiert wurde, wo sie noch ein wenig fühlen und ein wenig durch ihre Augen erkennen, sich jedoch weder rühren noch in
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