Lords of Salem: Roman (German Edition)
Doch sie war zufrieden mit sich und ihrem Äußeren. Maisie hatte immer auf der Sonnenseite des Lebens gestanden. Sie war in Salem geboren und hatte mit ihren Eltern die ganze Zeit im selben Viertel gewohnt, bis sie vor ein paar Jahren in eine eigene Wohnung gezogen war. In ihrer Kindheit hatte sie sich geliebt und behütet gefühlt, und das Wissen, dass ihre Familie einem alten Salemer Geschlecht angehörte, hatte ihr ein Gefühl von Zugehörigkeit und privilegierter Stellung vermittelt, auf das sie sich stützen konnte. Ihre Eltern hatten die Privilegien genossen, aber immer die Rolle heruntergespielt, die ihr Vorfahr Richter Mather bei den Hexenprozessen innegehabt hatte. Zuerst hatte sie das auch getan, doch als sie älter wurde, hatte sie beschlossen, sie könne es genauso gut akzeptieren, statt davor wegzulaufen. Deswegen hatte sie sich für das Hexenmuseum engagiert und für das Museum gespendet, in dem Richter Mathers Aufzeichnungen lagen, nachdem ihre Eltern gestorben waren.
Es war immer noch schwer für sie, wenn sie an ihren Tod dachte. Er war so unnötig gewesen, und der Polizist am Unfallort hatte gesagt, dass die Chancen hundert zu eins gestanden hätten und das Wrack gar nicht so schlimm ausgesehen habe und sie eigentlich hätten überleben müssen. Tatsächlich hatten die Leute in dem anderen Auto keinen Kratzer abbekommen. Sie war immer noch nicht darüber hinweggekommen und stieg nie in ein Auto, ohne daran zu denken und sich zu fragen, ob sie jetzt auch tot wäre, wenn sie damals mit im Wagen gesessen hätte. Sie hatte an der Boston University studiert und war jeden Tag von Salem dorthin gependelt. Damals hatte sie sich gesagt, dass sie nach ihrem Abschluss mit Salem und Massachusetts überhaupt fertig sei, aber das war offenbar ein Irrtum. Sie wusste nicht, ob es an ihrer Trägheit lag oder dem Unwillen, ihre Eltern zu verlassen, obwohl sie tot waren, aber jedes Mal, wenn sie den Mut aufbrachte wegzugehen, geschah etwas, das sie davon abhielt. Beim letzten Mal hatte sie sogar eine Anstellung in Kalifornien gefunden, ein Flugticket gekauft und all das, doch dann erhielt sie einen Anruf, in dem ihr mitgeteilt wurde, die Firma sei übernommen worden und ihre Stelle existiere nicht mehr. Nach einer gewissen Zeit hatte sie begonnen, es als ihr Schicksal zu betrachten, und nun ging sie davon aus, wahrscheinlich für immer hierzubleiben.
Zuerst achtete sie nicht auf den Song, sondern fuhr fort, Jarrett zu küssen und zu ermutigen, damit seine Leidenschaft erwachte. Sein blonder Bart und das lange Haar gerieten ihr in den Weg, stachen ihr in die Augen, kitzelten sie am Hals oder schlichen sich in ihren Mund, aber so war es nun einmal mit Jarrett; damit musste man leben, wenn man Sex mit ihm haben wollte. Und wenn man sich damit abfand, tja, dann war er gar nicht so übel im Bett.
Oder zumindest okay. Sie musste zugeben, dass der Sex mit ihm in den letzten Wochen ein wenig zur Routine verkommen war. Sie musste sich zusammenreißen, um nicht mit den Gedanken abzuschweifen. Oft dachte sie darüber nach, was sie am nächsten Tag zu tun hatte, fragte sich, ob sie die Mülltonnen rausgestellt hatte, ob die Katzenstreu gewechselt werden musste und so weiter. Kein gutes Zeichen und wahrscheinlich ein Hinweis darauf, dass es mit Jarrett und ihr nicht mehr allzu lange gut gehen würde.
Doch heute wurde ihre Aufmerksamkeit von dem Song im Radio abgelenkt. Zuerst erschien er ihr einfach nur seltsam, keines genaueren Hinhörens wert, aber er hatte etwas an sich, das sie fesselte. Etwas, das sie vereinnahmte und hineinzog. Sie stellte es sich als einen Haken vor, der sich in ihr Fleisch bohrte und daran zog, und sie empfand den stechenden Schmerz, als er eindrang, und das Rütteln, als er an ihr zerrte. Warum habe ich solche Gedanken?, wunderte sie sich kurz. Es hätte sie anekeln sollen. Doch merkwürdigerweise erregte es sie. Das Ziehen des Hakens und die Musik und die Bewegungen ihrer Körper schienen miteinander zu verschmelzen; und das machte sie fast verrückt, aber auf eine schöne, sündige Weise. Wirklich schön , dachte sie. Es war schon Jahre her, dass sie so erregt gewesen war. Was war das für eine Musik? Was tat sie mit ihr? Und wie konnte sie den Effekt verstärken?
» Dreh lauter«, sagte sie mittendrin.
Jarrett hielt inne und unterbrach den Rhythmus. Sie drehte ihn von der Seite auf den Rücken, stieg auf ihn, schob ihn in sich hinein und übernahm das Kommando. Da war er wieder, der Haken, der
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