Lords of Salem: Roman (German Edition)
wahrscheinlich, dass sich daran etwas ändern würde. Nur widerstrebend ging sie zurück ins Bad, doch dort wirkte alles normal. Auf dem Boden waren ein paar Wasserpfützen, aber nichts, was dort nicht hingehörte. Es war ein ganz gewöhnliches Badezimmer.
Trotzdem war sie verstört. Sie setzte sich auf die Toilette, stützte den Kopf in die Hände und fing an zu zittern. Nachdem es einmal begonnen hatte, konnte sie es kaum noch stoppen. Eine Weile saß sie dort und zitterte wie Espenlaub, bis sie Scheiß drauf dachte, aufstand, sich ein Fläschchen mit Tabletten schnappte und schnell ein paar davon schluckte. Sie sackte zurück auf die Toilette, wartete und hoffte, sie würden wirken.
32
Mittwoch
F rancis gähnte. Er lag zusammengerollt in Pyjama und Bademantel auf dem Sofa, obwohl es schon spät am Morgen war. Das Interview beim Radiosender hatte ihn schwerer mitgenommen, als er zunächst gedacht hatte, und danach hatte er sich ganz seiner Forschung hingegeben. Er wusste nicht, wie spät es genau gewesen war, als er schließlich seine Bücher zugeschlagen und sich hingelegt hatte.
» Möchtest du noch Kaffee?«, fragte Alice. Sie saß mit hochgelegten Füßen im Sessel und las die Salem News .
» Wie bitte, Schatz?« Francis sah auf seine halbvolle Tasse hinab. Er hatte vergessen, dass er sie in der Hand hielt, musste er sich eingestehen. » Nein. Ich hab genug.«
Er trank einen Schluck und wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem Fernseher zu. Es lief ein alter Western, den er vor Jahren schon einmal gesehen haben musste – vielleicht sogar in seiner Kindheit.
Er räusperte sich. » Meinst du, es gibt jemanden, der noch keine tausend Jahre alt ist und sich an Randolph Scott erinnert?«
Alice blätterte um. » Nein.«
» Traurig«, sagte Francis. Er trank noch einen Schluck. » Erinnerst du dich an … wie hieß der Film noch gleich … Sacramento ?«
» Nein.« Alice blickte auf und ließ die Zeitung sinken. » Hey, waren er und, hm, Cary Grant nicht ein Paar?«
Wirklich? , fragte sich Francis. Warum bin ich immer der Letzte, der so etwas erfährt? » Darüber will ich vor dem Mittagessen lieber nicht nachdenken«, sagte er.
Alice nickte kurz und hob wieder die Zeitung. Eine Weile las sie schweigend. Francis wandte sich erneut dem Fernseher zu und versuchte, sich weiter den Western anzusehen. Ein Mann in Wildlederkleidung hockte hinter einem Felsen. Jedes Mal, wenn er den Kopf herausstreckte, fiel ein Schuss, und ein paar Zentimeter neben seinem Kopf spritzte Staub von dem Stein auf. Er würde fürs Erste dort festsitzen. War er der Schurke oder der Held? Falls er der Schurke wäre, würde er wahrscheinlich irgendwann einen Ausfall wagen, sich eine Kugel im Rücken oder, wenn er Glück hatte, im Bein einfangen und zusammenklappen. Dann würde eine Sterbeszene folgen, falls es der Rücken war, oder seine Verhaftung, falls es das Bein war. Wenn es sich jedoch um den Helden handelte, würde er hinter dem Felsen durchhalten, bis den Schurken die Munition ausging oder die Kavallerie auftauchte. Normalerweise fand man schnell heraus, zu welcher Kategorie jemand gehörte, aber in diesem Fall war es schwierig. Der Mann sah weder wie ein Schurke noch wie ein Held aus, sondern nur wie ein ganz gewöhnliches armes Schwein, das kurz davor stand, abgeknallt zu werden.
» Ich lese gerade, dass die Identität des Opfers und der Mörderin bekanntgegeben wurde«, sagte Alice und ließ die Zeitung sinken.
Das war ja klar , dachte Francis. Kaum bin ich in den Film reingekommen, muss sie etwas sagen, um mich wieder rauszureißen. » Interessiert mich nicht«, sagte er. » Das muss ich nicht wissen.« Aber es war zu spät; seine Konzentration war dahin. Der Film fesselte ihn nicht mehr. » Ich will es auch gar nicht wissen«, fügte er hinzu. » Klatschgeschichten über Mord berühren mich nicht.«
Alice warf ihm über den Rand ihrer Brille einen durchdringenden Blick zu, aber wie üblich ließ sie sich nicht provozieren. Wie konnte sie nur immer so ruhig bleiben? Gegen seinen Willen beneidete er sie ein wenig um diese Fähigkeit. » Ich dachte, das würde dich interessieren, Francis.« Sie knisterte mit der Zeitung und verschwand wieder dahinter. » Hier steht, die Mörderin heißt Maisie Mather.«
» Mather?«, fragte Francis. Seine Forschungen schienen ihn zu verfolgen. Erst diese Radiofrau, die höchstwahrscheinlich mit Hawthorne verwandt war, und jetzt ein Nachfahr von Richter Mather, Hawthornes
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