Lords of Salem: Roman (German Edition)
ab.
Aber wen sollte sie anrufen? Herman vielleicht? Seine Frau wäre sauer, wenn sie mitten in der Nacht anrief, aber Herman würde alles tun, um ihr zu helfen – das hatte er schon einmal getan. Ihren Dealer? Er würde sich freuen, von ihr zu hören, aber seine Vorstellung von Hilfe bestand wahrscheinlich darin, sie mit Stoff und Spritzbesteck zu versorgen, damit sie wieder dabei war. Nein, das kam nicht infrage. Whitey? Er würde vermutlich kommen und ihr beistehen, aber sie hatte kein gutes Gefühl dabei, ihn auf diese Weise auszunutzen. Die Polizei? Was sollte sie ihr erzählen? Ich bin in meinem eigenen Badezimmer von einer Art Leiche angegriffen und beinahe ertränkt worden, aber es gibt überhaupt keine Spuren. Man würde sie für verrückt halten. Vielleicht war sie verrückt.
Sie könnte einfach einen Bademantel anziehen und an Lacys Tür klopfen, sagte sie sich. Sie könnte sich irgendeine Geschichte ausdenken, und Lacy würde sie wahrscheinlich auf ihrem Sofa schlafen lassen. Hauptsache, sie wäre nicht allein, auch wenn Lacy und ihre Schwestern ihr ebenfalls einen höllischen Schrecken eingejagt hatten.
Aber normalerweise war sie nicht allein, sagte sie sich. Normalerweise hatte sie Steve.
Wo zum Teufel war Steve eigentlich?
» Steve?«, rief sie. » Steve?« Sie pfiff, doch er kam nicht. Sie legte den Hörer weg und sah in der Küche nach ihm. Er war nicht dort, aber der Boden war von blutigen Pfotenabdrücken übersät. Und erst jetzt fiel ihr wieder ein, dass sie ihn nicht gesehen hatte, seit sie aus Lacys Wohnung zurückgehrt war – war sie so betrunken gewesen? Sie hatte angenommen, dass er schlief, aber sie hatte nicht nachgesehen. Was war sie eigentlich für eine Hundehalterin?
Die meisten Pfotenabdrücke kreisten um die Tür, deren Lack dort abgesplittert war, wo Steve daran gekratzt hatte. Eine Spur führte jedoch von der Tür weg durch das Wohnzimmer zum Schlafzimmer.
Nein , warnte sie eine innere Stimme. Geh nicht da rein. Was immer dort ist, du willst es nicht sehen. Doch die Besorgnis um ihren Hund und die Neugierde gewannen die Oberhand.
Vor der Schlafzimmertür befand sich ein frischer Blutfleck, als wäre dort etwas gestorben. Sie stieg mit ihren nackten Füßen darüber hinweg und ging hinein.
Etwas lag in ihrem Bett, sie konnte die Konturen erkennen. Sie rief erneut nach ihrem Hund, aber es kam keine Reaktion. Langsam näherte sie sich dem Bett, um nachzusehen, was dort war, doch es war vollständig unter der Decke verborgen.
Heidi streckte den Arm aus und packte einen Zipfel der Decke. Sie zog sie zurück.
Im Bett lag eine Frau mit blondem Haar, die ihr bis ins Detail glich, mit dem einen Unterschied, dass sie tot war. Ihre Pulsadern waren aufgeschnitten, und die Haut wurde allmählich grau. Eine leere Spritze baumelte an einer Vene aus ihrem Arm. Sie strich der Frau das Haar aus dem Gesicht, doch sie sah immer noch genau aus wie sie. Aber ich kann es nicht sein , sagte sie sich. Ich lebe noch. Ich bin hier.
Sie zog die Decke weiter zurück, und dort, neben den Füßen der falschen Heidi, lag Steve. Er war voller Blut, und das Fell und die Haut waren ihm vom Kopf gezogen worden, sodass nichts als breiige blutige Masse zurückgeblieben war, durch die hier und dort feucht glänzende Schädelknochen ragten. Seine Pfoten waren abgetrennt worden und neben dem Bauch zu einem kleinen Haufen aufgetürmt, wie Welpen, die auf ihre Fütterung warteten. Er knurrte, als er sie sah, der Blick irre vor Wut oder Schmerz, schnappte nach ihr und biss sie, als sie die Hand nach ihm ausstreckte.
O Gott , dachte sie. O Gott. Sie trat vom Bett zurück und ging rückwärts zur Tür. Ihre Gedanken flohen in tausend verschiedene Richtungen, und sie glitt auf dem Blutfleck vor der Tür aus und stürzte. So schnell sie konnte, kroch sie würgend zurück ins Wohnzimmer und zog sich auf das Sofa. Sie griff nach dem Telefon und wählte den Notruf.
Als sie den Hörer ans Ohr heben wollte, bekam sie einen harten Schlag gegen die Seite des Kopfs, sodass ihre Ohren klingelten und der Hörer wegflog. Über ihr stand die Frau, die in der Nacht zuvor in ihren Halluzinationen aufgetaucht war. Margaret Morgan hatte sie sich genannt, und als Heidi sie nun so sah, mit unnatürlich weißer Haut und Wassertropfen, die an ihr herabrannen, begriff sie, dass es dieselbe Frau war, die sie in der Badewanne hatte töten wollen.
Einen Augenblick lang starrten sie sich nur an, ohne sich zu rühren. Morgans Augen waren
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