Lords of Salem: Roman (German Edition)
nicht schlecht. Sie fühlte sich ganz gut. Andererseits hatte sie schon ein schlechtes Gewissen – wenn sie so einen Scheiß machte, löste das eine Gier in ihr aus und erweckte ein Monster zum Leben, das nach dem verlangte, was sie damals gehabt hatte. Aber nein, das würde ihr nicht noch einmal passieren. Beim letzten Mal war es so schlimm gewesen, dass sie froh war, mit dem Leben davongekommen zu sein. Griff hatte es schließlich nicht geschafft. Fühlte sie sich deswegen schuldig? Schuldig, weil sie überlebt hatte?
Aber vielleicht , sagte eine hoffnungsvolle Stimme in ihr, wird es dieses Mal anders sein. Vielleicht wird es mich nicht in Schwierigkeiten bringen.
Nein, es gibt kein nächstes Mal. Doch ihre Gedanken verschwammen bereits. Sie verlor die Kontrolle darüber und ließ sich treiben. Und das war genau das, was sie wollte, sagte sie sich – sich keine Sorgen machen, sich ein wenig entspannen, um irgendwie durch den Tag zu kommen.
Die Zeit entglitt ihr. Sie verlangsamte sich, als würde sie überhaupt nicht verstreichen, und jeder Augenblick schien sich in die Länge zu ziehen. Vielleicht schlief sie eine Weile. Und dann lief die Zeit plötzlich wieder schneller, und Steve war da, winselte und leckte an ihrem Arm.
» Was ist los, Steve?« Als er nicht zu winseln aufhörte, erhob sie sich mühsam. Wow, sie war ziemlich benommen. Sie stützte sich an der Wand ab, um das Gleichgewicht zu halten, und schleppte sich in die Küche, wo sie Steve Futter in den Napf schüttete.
Er schlang es gierig hinunter. Hatte sie gestern Abend daran gedacht, ihn zu füttern? Sie war sich nicht sicher. Vielleicht, vielleicht auch nicht. Gott, sie war schrecklich, kurz vor dem Zusammenbruch.
Nein , sagte sie sich, so etwas darfst du nicht denken. Du schaffst das schon. Du hast nur ein paar schlechte Tage. Rede mit deinen Freunden, dann helfen sie dir.
Scheiße, der Joint machte sie trübsinnig und paranoid, anstatt sie zu entspannen. Das konnte doch nicht wahr sein, verdammt.
Der Napf war leer, aber Steve winselte immer noch und starrte sie an. Sie hatte leichte Kopfschmerzen. Was wollte er jetzt schon wieder?
Er musste erst zur Tür gehen und seine Nase dagegen drücken, bis sie das Naheliegende begriff. Er war noch nicht draußen gewesen.
» Okay«, sagte sie. Während sie die Leine suchte, sie an seinem Halsband einhakte und ihn aus der Wohnung ließ, hatte sie das Gefühl, durch knietiefes Wasser zu waten. Sie ging zur Treppe, doch als sie um das Geländer trat und hinabzusteigen begann, nahm sie flüchtig etwas wahr und blieb unwillkürlich stehen.
Nein , sagte sie sich. Sieh nicht hin.
Aber sie konnte nicht anders, als sich umzudrehen und durch den Flur zu Apartment fünf zu blicken.
Die Tür stand offen. Und obwohl es Tag war, war es in der Wohnung dunkel, fast schwarz. Es war unmöglich, etwas zu erkennen.
Scheiß drauf , dachte sie. Einen Moment lang erwog sie hinzugehen und sich zu vergewissern, dass dort nicht doch jemand war.
Aber nein, sie hatte schon so viele Albträume von Apartment fünf gehabt, dass sie wusste, es wäre ein Fehler. Und sie war stoned. Selbst wenn dort nichts wäre, könnte sie in Panik geraten.
Also zwang sie sich, sich abzuwenden, und stieg langsam die Treppe hinab.
Doch die ganze Zeit über, bei jedem Schritt, spürte sie den Raum hinter sich lauern, als wartete er auf sie. Und auf halbem Weg nach unten glaubte sie, ein merkwürdiges Schaben zu hören, als schlurften nackte Füße über den Holzboden des Flurs. Vor ihrem geistigen Auge sah sie unnatürlich blasse und dünne Beine mit leicht verdrehten Füßen und schwarzen Nägeln, die ihr folgten. In ihrem Kopf waren es einfach entleibte Beine, umgeben von einer seltsamen Dunkelheit, die verbarg, was auch immer sich darüber befand.
Dann hörte sie ein Knarren, das sie viel zu sehr an ein hohes Kichern erinnerte. Sie ergriff die Flucht, nahm jeweils zwei Stufen auf einmal und stürmte zur Tür.
Sobald sie draußen war, fühlte sie sich etwas besser. Sie konnte immerhin wieder atmen und sich ein wenig entspannen, und als sie unter freiem Himmel war und sich bewegte, störte es sie auch nicht mehr, dass sie stoned war. Sie ging die übliche Strecke, bis Steve sein Geschäft verrichtet hatte, dann beschloss sie, den historischen Stadtrundgang einzuschlagen.
Sie lief eine lange Steintreppe hinab, die aussah, als wäre sie schon jahrhundertealt. Die Stufen waren hier und dort gebrochen und an den Rändern mit Moos bewachsen.
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