Lords und Ladies
Wochen«, erwiderte Magrat. »Am Tag der Sommersonnenwende.«
»Keine besonders gute Wahl«, meinte Nanny Ogg. »Ist die kürzeste Nacht des Jahres.«
»Gytha Ogg!«
»Und dann seid ihr meine Untertanen«, betonte Magrat. »Und müßt euch vor mir verbeugen und so!«
Sie wußte, wie dumm das war, was sie sagte, aber die Vernunft prallte am Schild des Zorns ab.
Oma Wetterwachs kniff die Augen zusammen.
»Hm«, brummte sie. »Müssen wir das?«
»Ja«, bestätigte Magrat hitzig. »Und wenn ihr euch weigert, wirft man euch vielleicht in den Kerker !«
»Meine Güte«, sagte Oma. »O weh. Das würde mir nicht gefallen. Nein, das würde mir ganz und gar nicht gefallen.«
Alle drei Hexen wußten, daß der Kerker des Schlosses nicht in einem sehr schlechten Ruf stand und auch keinen verdiente. Schon seit einer ganzen Weile enthielt das Verlies nur Leere. Verence II. war der freundlichste Monarch in der ganzen Geschichte von Lancre. Das Volk begegnete ihm mit gutmütiger Verachtung – dieses Schicksal erleiden all jene, die still und gewissenhaft fürs Gemeinwohl arbeiten. Außerdem: Verence würde sich eher ein Bein abhacken, als eine Hexe in den Kerker zu werfen – das hätte ihm auf lange Sicht viele Schwierigkeiten erspart und wäre vermutlich sogar weniger schmerzhaft gewesen.
»Königin Magrat, wie?« Nanny Ogg versuchte, die allgemeine Stimmung ein wenig zu verbessern. »Potzblitz. Nun, es kann gewiß nicht schaden, wenn’s im alten Schloß ein wenig fröhlicher zugeht…«
»O ja, bestimmt haben wir alle viel zu lachen«, ließ sich Oma Wetterwachs vernehmen.
»Wie dem auch sei…« Magrat gestikulierte herablassend. »Mit diesen Sachen brauche ich mich nicht mehr zu befassen. Das ist eure Angelegenheit – um was auch immer es dabei geht. Ich habe für so etwas bald keine Zeit mehr.«
»Bestimmt warten viel wichtigere Dinge auf dich, Euer Zukünftige Majestät«, sagte Oma.
»Ha!« schnaufte Magrat. »Und ob! Sucht euch eine andere Hexe für Lancre! Kapiert? Besorgt euch irgendein sentimentales Mädchen, das die langweilige Arbeit für euch erledigt, dem man nie etwas erklärt und das sich nicht beklagt, wenn ihm euer Kauderwelsch ein Rätsel bleibt. Ich habe bessere Dinge zu tun!«
»Sind deine neuen Pflichten von größerer Bedeutung als die einer Hexe?« fragte Oma Wetterwachs.
Magrat fiel darauf herein.
»Ja!«
»Lieber Himmel«, hauchte Nanny.
»Na schön. Ich schätze, dann mußt du uns jetzt verlassen.« Omas Stimme schnitt wie ein Messer. »Bestimmt erwartet man dich im Palast.«
»Ja!«
Magrat streckte die Hand nach ihrem Besen aus.
Oma war schneller.
»O nein«, sagte sie. »Den brauchst du jetzt nicht mehr. Königinnen sind in goldenen Kutschen und was weiß ich unterwegs. Jedem das Seine. Besen stehen nur Hexen zu!«
»Ich bitte euch…«, begann Nanny. Ernsthafter Streit weckte die geborene Vermittlerin in ihr. »Man kann durchaus Königin und Hexe…«
»Wen kümmert’s?« Magrat ließ den Besen los. »Auf so etwas verzichte ich von jetzt an.«
Sie drehte sich um, hob den Saum ihres Kleids und lief davon. Bald war sie nur noch eine kleine Silhouette vor der glühenden, untergehenden Sonne.
»Du dummes altes Weibsbild, Esme«, sagte Nanny Ogg. »Das alles nur, weil sie heiratet…«
»Du weißt, wie sie auf eine Erklärung der Hintergründe reagiert hätte«, erwiderte Oma Wetterwachs. »Die Leute. Kreise… Sie würde alles falsch verstehen und es für nett halten. Es ist besser für sie, nicht daran beteiligt zu sein.«
»Seit Jahren sind sie nicht mehr aktiv gewesen«, überlegte Nanny laut. »Wir brauchen Hilfe. Ich meine… Wann bist du zum letztenmal bei den Tänzern gewesen?«
»Du weißt ja, wie das ist. Wenn Ruhe herrscht… Dann denkt man kaum über sie nach.«
»Wir hätten uns früher darum kümmern sollen.«
»Stimmt.«
»Ich schlage vor, wir fliegen gleich morgen früh dorthin«, sagte Nanny Ogg.
»Einverstanden.«
»Und bring eine Sichel mit.«
Wo auch immer in Lancre man einen Fußball auf den Boden legt – meistens rollt er fort. Der größte Teil des Königreichs besteht aus Mooren und steilen, bewaldeten Hängen, an die sich Berge anschließen: Sie sind so zerklüftet, daß sie selbst von Trollen gemieden werden, und manche Täler reichen so tief in den granitenen Leib des Gebirges, daß sie nur dann Sonnenschein bekommen, wenn man ihn hineinpumpt.
Ein von Unkraut überwucherter Pfad führte zum Moor mit den Tänzern. Die Entfernung zur
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