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Lords und Ladies

Lords und Ladies

Titel: Lords und Ladies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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Diamanda. Nun, da das für sie nicht in Frage kam, versuchte sie zumindest, ungesund auszusehen. Zu diesem Zweck verbarg sie ihre normalerweise rosarote Haut unter weißem Make-up. Es bildete eine so dicke Schicht, daß Perdita riskierte, ihr Gesicht am Hinterkopf zu tragen, wenn sie sich plötzlich umdrehte.
    Sie hatten sich mit der Beschwörung des steilen Zapfens der Macht beschäftigt, auch mit Kerzenmagie und Kristallkugelprophetie. Jetzt wollte Diamanda ihren Gefährtinnen zeigen, wie man mit den Karten umging.
    Angeblich enthielten sie die destillierte Weisheit der Alten. Tief in ihrem Innern fragte sich Perdita, wer damit gemeint sein mochte. Es konnte sich wohl kaum um Eltern oder Großeltern handeln, die Diamanda als dumm bezeichnete. Allerdings versäumte sie zu erklären, warum diese Alten soviel weiser waren als zum Beispiel moderne Leute.
    Darüber hinaus verstand Perdita nicht, was es mit dem femininen Prinzip auf sich hatte. Und sie wurde unsicher, wenn sie an die Sache mit dem inneren Selbst dachte. Sie zweifelte immer mehr daran, eins zu besitzen.
    Sie wünschte sich solche ausdrucksvollen Augen wie Diamanda.
    Sie wünschte sich, hochhackige Schuhe ebensogut tragen zu können wie Diamanda.
    Amanita DeVice hatte ihr erzählt, daß Diamanda in einem echten Sarg schlief.
    Sie wünschte sich den Mut, ihren Arm wie Amanita mit einer Totenkopftätowierung zu zieren – auch wenn das Bild nur mit Tinte aufgemalt war und jeden Abend abgewaschen werden mußte, damit die Mutter es nicht sah.
    Eine leise, gemeine Stimme aus Perditas innerem Selbst wies darauf hin, daß Amanita kein guter Name war.
    Was auch für Perdita galt.
    Sie fügte hinzu, daß sich Perdita nicht in Dinge einmischen sollte, von denen sie keine Ahnung hatte.
    Unglücklicherweise war damit praktisch alles gemeint.
    Sie wünschte sich, schwarze Spitze mit der gleichen Anmut tragen zu können wie Diamanda.
    Diamanda erzielte Resultate.
    Es war kaum zu fassen. Natürlich hatte Perdita immer gewußt, daß es Hexen gab: alte Frauen, die sich wie Vogelscheuchen kleideten – wenn man einmal von Magrat Knoblauch absah, die einfach verrückt war und immer so aussah, als würde sie im nächsten Augenblick in Tränen ausbrechen. Perdita erinnerte sich daran, daß Magrat bei einer Silvesterparty Gitarre gespielt und mit geschlossenen Augen Volkslieder gesungen hatte, an die sie zu glauben schien. Sie hatte nicht richtig gespielt, aber das fiel kaum ins Gewicht, weil sie auch nicht singen konnte. Das Publikum applaudierte nur deshalb, weil ihm nichts anderes einfiel.
    Nun, Diamanda hatte Bücher gelesen. Sie wußte über Dinge Bescheid. Zum Beispiel über die Beschwörungen bei den Steinen… Die funktionierten tatsächlich.
    Derzeit erklärte sie die Karten.
    An diesem Abend wehte recht heftiger Wind. Er ließ die Fensterläden klappern und Ruß durch den Kamin fallen. Perdita meinte zu spüren, wie die Böen alle Schatten im Zimmer in eine Ecke trieben…
    »Paßt du auf, Schwester?« fragte Diamanda kühl.
    Das kam hinzu: Man mußte sich mit »Schwester« ansprechen, aus reiner Brüderlichkeit.
    »Ja, Diamanda«, erwiderte Perdita verlegen.
    »Dies ist der Mond«, wiederholte Diamanda. »Für jene von uns, die nicht richtig aufgepaßt haben.« Sie hob die Karten. »Und was sehen wir hier? Du, Muscara.«
    »Äh… der Mond ist darauf abgebildet?« fragte Muscara (geborene Susan) hoffnungsvoll.
    »Natürlich handelt es sich nicht um den Mond, sondern um eine nichtmimetische Konvention, die keine Verbindungen zu üblichen Bezugssystemen unterhält«, erklärte Diamanda.
    »Aha.«
    Zorniger Wind zerrte an den Wänden der Hütte. Die Tür flog auf; draußen zeigten sich dunkle Wolken an einem finsteren Himmel, an dem auch eine sichelförmige nichtmimetische Konvention leuchtete.
    Diamanda winkte mit der einen Hand. Oktarines Licht schimmerte kurz, und die Tür schloß sich ruckartig. Daraufhin lächelte das Oberhaupt dieses jungen Hexenzirkels auf eine Weise, die Perdita für wissend und klug hielt.
    Diamanda legte eine weitere Karte auf das schwarze Samttuch vor sich.
    Perdita betrachtete sie bedrückt. Die Karten sahen ja ganz hübsch aus – wie bunt bemalte Pappe –, und sie hatten auch interessante Namen. Doch die leise verräterische Stimme in ihr flüsterte: Woher sollen Karten von der Zukunft wissen? Pappe ist nicht sehr intelligent.
    Andererseits: Der Zirkel half den Leuten – mehr oder weniger. Beschwörungen und so… Was soll ich machen,

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