Lords und Ladies
kommen, wenn du sie rufst. Ja, wenn du sie rufst, öffnest du eine Tür, denn zur Kreis-Zeit sind die Wände zwischen den Welten dünn genug, um die andere Seite zu hören. Die Tänzer sind bereits sehr geschwächt. Ich… ich lasse nicht zu, daß die Herren und Herrinnen zurückkehren.«
Diamanda machte den Mund auf.
»Ich bin noch nicht fertig. Du bist ein intelligentes Mädchen. Es gibt viele interessante Dinge für dich. Eine Hexe möchtest du bestimmt nicht sein. Es ist alles andere als ein leichtes Leben.«
»Du verrückte Alte! Du verstehst doch gar nichts! Die Elfen sind ganz anders…«
»Sprich den Namen nicht laut aus! Sprich ihn nicht laut aus! Sie kommen, wenn man sie ruft…«
»Gut! Elfen, Elfen, Elfen! Elfen…«
Oma versetzte dem Mädchen eine schallende Ohrfeige.
»Selbst du solltest wissen, daß so etwas töricht und kindisch ist«, sagte sie. »Hör mir zu. Wenn du in Lancre bleiben willst, so rate ich dir dringend, die Hexerei an den Nagel zu hängen. Oder du kannst einen anderen Ort aufsuchen, erfolgreich sein, eine Dame von Welt werden und so – du hast das Zeug dazu. Vielleicht kehrst du in zehn Jahren zurück, mit vielen Juwelen und so. Vielleicht kannst du uns Stubenhocker dann herumkommandieren. Nun, warum nicht? Aber wenn du hierbleibst und versuchst, sie zu rufen… Dann bekommst du es mit mir zu tun. In dem Fall geht’s nicht mehr um irgendwelche dummen Spielchen im Sonnenschein, sondern um echte Hexenkunst. Ich meine nicht den Unfug mit Monden und Kreisen. Nein, ich meine wahre Fleisch-und-Knochen-Magie. Und davon hast du nicht die geringste Ahnung, kapiert? Bei solchen Sachen ist für Gnade und Barmherzigkeit kein Platz.«
Diamanda hob den Kopf. Omas Hand hatte eine rote Stelle in ihrem Gesicht hinterlassen.
»Soll ich jetzt gehen?« fragte sie.
Oma Wetterwachs reagierte eine Sekunde zu spät.
Diamanda sprang zwischen die Steine.
»Du dummes Kind! Nicht dorthin!«
Die Gestalt des Mädchens wurde bereits kleiner, obgleich die Entfernung nur einen oder zwei Meter betrug.
»Verflixt!«
Oma folgte Diamanda und hörte, wie die Tasche ihres Rocks aufriß – darin steckte der Schürhaken, den sie sicherheitshalber mitgenommen hatte. Das Ding sauste nun davon, schepperte an einen Tänzer und klebte daran fest.
Ein dumpfes Pling-plong erklang, als sich die Nägel aus den Stiefeln lösten und zu den Steinen sausten.
Gegenstände aus Eisen konnten nicht ins Innere des Kreises gelangen.
Oma sprintete bereits, als sie begriff, was das bedeutete. Nun, und wenn schon – sie hatte eine Entscheidung getroffen.
Ein Gefühl geistiger Verrenkung stellte sich ein, als die Richtungen mit einem chaotischen Tanz begannen. Und dann lag Schnee auf dem Boden. Er war weiß. Er mußte weiß sein, denn immerhin handelte es sich um Schnee. Aber bunte Muster glitten darüber hinweg – der Widerschein des kalten Funkelns am Himmel.
Diamanda kam nur mühsam voran. Ihre Schuhe waren eher zum Promenieren in der sommerlichen Stadt und ganz bestimmt nicht für dreißig Zentimeter hohen Schnee gemacht. Omas Stiefel hingegen würden selbst ohne Nägel mit einem Marsch über heiße Lava fertigwerden.
Allerdings: Sie wurden schon seit vielen Jahren von den gleichen Muskeln angetrieben, die jetzt schnell ermüdeten. Was dazu führte, daß Diamandas Vorsprung wuchs.
Aus dem dunklen Nachthimmel fiel noch mehr Schnee. Jenseits des Steinkreises warteten, angeführt von der Königin, einige Reiter. Jede Hexe kannte sie und ihre Erscheinung.
Diamanda stolperte und fiel, stemmte sich wieder hoch und verharrte auf Knien im kalten Weiß.
Oma blieb stehen. Das Pferd der Königin wieherte.
»Knie nieder vor deiner Königin«, sagte die Elfe. Sie trug ein rotes Gewand und eine kupferne Krone.
»Nein«, erwiderte Oma Wetterwachs schlicht.
»Du bist hier in meinem Reich, Frau«, stellte die Königin fest. »Und deshalb hast du mir zu gehorchen. Knie nieder!«
»Ich gehorche niemandem«, brummte Oma. »Ich habe nie jemandem gehorcht, und daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern.«
Sie legte die Hand auf Diamandas Schulter.
»Das sind deine Elfen. Hübsch, nicht wahr?«
Die Krieger waren mehr als zwei Meter groß. Sie trugen keine Kleidung im eigentlichen Sinne, sondern bunt zusammengefügte Dinge: Fellreste, Bronzefacetten, Kordeln mit Federn in allen Farben. Wo sich nackte Haut zeigte, waren blaue und grüne Tätowierungen zu sehen. Einige jener Elfen hielten Bögen bereit, und ihre Pfeile zielten
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