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Loreley

Titel: Loreley Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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das ein Abschied für immer?«, fragte Erland sie, bevor sie dem Pferd in die Flanken trat.
    »Wenn ich das wüsste«, rief Ailis zurück, und dann trug das Ross sie davon, die Berge hinauf und darüber hinweg nach Westen.
    Jetzt, zwei Tage später, wusste sie, dass es endgültig an der Zeit war, eine längere Rast einzulegen. Die kurzen Pausen, die sie sich bisher gegönnt hatte, halfen weder ihr noch dem Pferd, und – Träume hin oder her – sie musste versuchen zu schlafen. Was half es, Fee gegen ü berzutreten, wenn die Müdigkeit allein sie fast von den Beinen warf?
    Die Hochebene wirkte nur aus der Ferne vollkommen glatt. Obwohl der Horizont schnurgerade wie ein straff gespannter Faden verlief, war der Boden beim Nähe r kommen leicht gewellt, an manchen Stellen gar von kle i nen schroffen Tälern durchbrochen.
    Gerade hatte sie sich entschlossen, in der nächsten di e ser Senken Halt zu machen, als sie dort unten eine Ge s talt entdeckte. Es war früh am Abend, die Dämmerung schob sich ihr entgegen und tauchte das weite Land in Hal b licht. Hell genug, um zu erkennen, dass dort unten j e mand war, aber zu düster, um Einzelheiten auszum a chen. Dennoch zweifelte sie nicht, dass sie erwartet wu r de.
    Ihr erster Gedanke war, sofort davonzureiten. Dann aber d achte sie, dass eine Flucht sinnlos war. Falls es Fee war, die dort unten wartete, konnten sie es ebenso gut hier wie an jedem anderen Ort beenden. Falls aber nicht sie es war, sondern –
    »Jammrich!« Sie erkannte ihn, als die Wolken einen Moment lang aufrissen und ein letzter Sonnenstrahl hi n ab in den Talgrund fiel. Sie trieb das Pferd zum Galopp.
    Der Spielmann saß am Wegrand und blickte ihr entg e gen. Vor ihm im Gras befand sich eine erkaltete Feue r stelle. Augenscheinlich hatte er gerade erst vergeblich versucht, die Flammen ein weiteres Mal zu entfachen.
    »Endlich!«, entfuhr es ihm seufzend, als sie aus dem Sattel sprang. »Und ich dachte schon, du kämest gar nicht mehr.«
    Sie grinste, obwohl ihr eigentlich nicht danach zu M u te war. »Ich bin so schnell geritten wie es eines der be s ten Pferde aus dem Stall des Grafen vermag.«
    »Du hast es gestohlen?«
    »Ein Freund hat es für mich bezahlt.«
    »Der Schmied?«
    Sie nickte. »Wie geht es Sankt Suff?«
    »Besser. Er hat schon wieder nach Bier verlangt. Ein gutes Zeichen.«
    Ein Augenblick verging, in dem beide vor Verlege n heit nichts zu sagen wussten. Dann brach Ailis das Schweigen. »Du hast es dir also anders überlegt?«
    »Ich …« Er verstummte, schüttelte dann nach kurzem Zögern den Kopf. »Nein, A i lis. Ich bin hergekommen, um dich zur Vernunft zu bringen.«
    Ihre Hoffnungen zerstoben. »Du kannst mich nicht aufhalten«, sagte sie niederg e schlagen.
    »Und ich kann dir nicht helfen. Niemand kann das. Was du vorhast, ist zwecklos. Du wirst sterben, das ist alles.«
    »Es ist meine Entscheidung.«
    »Warum tust du das?«
    Sie antwortete mit einer Gegenfrage. »Warum wohl sind die anderen gestorben?«
    »Nicht um die Welt zu retten, wenn du das meinst«, erwiderte er düster. »Sie waren Abenteurer. Sie haben sich von den Geschichten ernährt, die sie erlebten. Und von denen, die sie erfanden.«
    »Ebenso gut hätten sie diese hier erfinden können. Sie hätten nicht sterben müssen. Ihr alle habt es mir selbst erklärt: Niemanden kümmert, ob die Geschichten eines Spielmannes wahr oder erlogen sind.«
    »Ich kannte diese Männer«, sagte er beharrlich. »Ke i ner von ihnen war ein Held, der darauf aus war, die Me n schen vor den Wesen aus Faerie zu retten. Es ging ihnen immer nur um sich selbst. Um ihren Spaß.«
    »Sie sind tot, Jammrich. Und du hast nichts Besseres zu tun, als ihr Andenken in den Schmutz zu ziehen.«
    »Ihr Andenken?«, rief er aus und lachte bitter. »Es gibt kein Andenken, Ailis. Ni e mand erinnert sich ihrer. Nur du und ich und Sankt Suff. Und keiner von uns sollte sie als Weltenretter in Erinnerung behalten.«
    Sie wusste nicht, ob sie zornig sein oder verzweifeln sollte. Irgendwie schien ihr beides angebracht. »Vie l leicht geht es aber mir um die Welt«, sagte sie voller Trotz.
    »Ist es das, was du dir einredest? Du armes Kind!«
    Sie griff nach den Zügeln ihres Pferdes und schwang sich wieder in den Sattel. »Lass mich in Ruhe, Jammrich. Dies alles ist auch ohne dein Gerede schwer genug.«
    Blitzschnell sprang er auf und packte ihr Ross am Zaumzeug. »Es geht dir nicht um die Welt, und du weißt es. Es geht nur um dich, um deine Wut darüber,

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