Loretta Chase
»Würdest du es bedauern, wenn ich dich freigäbe, damit du den
Sohn eines Dukes heiraten kannst oder einen mit Orden geschmückten Offizier
oder einen der Prachtburschen, die dein Vater zum Balzritual geladen hat?«
Sie nickte.
»Doch, ich würde es sehr bedauern. Ich glaube ...«, begann sie und hielt
inne, als sie das feine Lächeln bemerkte, das um seine Lippen spielte.
Natürlich, jetzt sah sie es ganz
deutlich – auch das verschmitzte Funkeln in seinen Augen. »Ich glaube, ich
würde dir auf der Stelle den Hals umdrehen, wenn du es dir anders überlegt
hättest. Ich hatte mich schon so darauf gefreut, von dir umworben zu werden.
So, wie es sich gehört. Du hast es mir versprochen.«
»Wie es
sich gehört?« Fragend hob er eine Braue. »Ich habe dich gestern nach dem
Kirchgang nach Hause begleitet. Was wünschst du denn noch?«
»Auf jeden
Fall mehr als das«, erwiderte sie. »Ich hatte mich auf ein längeres,
behutsames Brautwerben gefreut. Stattdessen bist du praktisch mit der Tür ins
Haus gefallen. Obwohl Papa viel zu diskret ist, darüber eine Bemerkung fallen
zu lassen, bin ich mir sicher, dass ihm deine Absichten nicht entgangen
sind.«
»Alles
andere würde mich auch enttäuschen«, sagte er. »Es war ja praktisch ein
Wink mit dem Zaunpfahl, den selbst der Dorftrottel verstanden haben dürfte. Ich
wüsste nicht, wie ich meine Absichten deutlicher zum Ausdruck hätte bringen
können.« Er strahlte sie an.
»Oh, du
...« Sie ging zu ihm und schlug die Stirn an seine Brust. Als er die Arme
um sie legte, blickte sie auf und sah in seine lachenden Augen. »Du hast
gemogelt«, sagte sie. »Ich dachte, du wolltest das Balzritual wie geplant
seinen Lauf nehmen lassen und mich derweil von all deinen Vorzügen überzeugen
und mir zeigen, wie unerträglich mein Leben ohne dich wäre.«
»Ich habe
nur gesagt, dass ich teilnehmen würde«, sagte er. »Ich habe gesagt, dass
ich mir einiges einfallen lassen würde, und genau das werde ich tun. Dass ich
nicht mogeln würde, habe ich nie gesagt.«
»Na
schön«, meinte sie. »Dann hast du es nicht gesagt. Was hast du denn noch
alles nicht gesagt, wovon ich wissen sollte?«
»Nichts«,
erwiderte er. »Und genau genommen habe ich auch gar nicht gemogelt«,
stellte er klar.
»Ach nein?
Was denn dann?«
»Ich habe
mir lediglich einen kleinen Vorsprung gegenüber meinen Rivalen gesichert«,
sagte er. »Colonel Morrell würde das gewiss
verstehen, wenngleich es ihm nicht gefallen dürfte. Zumal ich nur ein
armseliger Zivilist bin, keine schneidige Uniform trage, keine Orden, keine
...« »Colonel Morrell?«, fragte Charlotte. »Was hat der denn damit zu
tun?«
»Ach
ja.« Mr. Carsington betrachtete sie nachdenklich. »Das hatte ich
vergessen. Du weißt es gar nicht. Kein Wunder eigentlich, geht er doch sehr
diskret zu Werke. In den meisten Fällen wäre er damit entschieden im Nachteil,
aber in deinem Fall... Morrell ist nicht dumm, und ich wette ...«
»Wovon
redest du eigentlich?«
»Dass er es
auf dich abgesehen hat«, sagte Mr. Carsington.
Sie würde
gelacht haben, hätte er sie nicht so ernst angesehen. Leicht irritiert sagte
sie: »Nein, hat er nicht. Ausgeschlossen. Er ist ein guter Freund, mehr nicht.
Du witterst Rivalen, wo gar keine sind. Ja, ich weiß, dass er zur
Hausgesellschaft geladen wurde, aber das nur, weil er unser Nachbar ist.«
»Colonel
Morrell hat den Großteil seines Lebens beim Militär verbracht«, fuhr Mr.
Carsington fort. »Dort wäre ihm kein so rascher Aufstieg vergönnt gewesen, wäre
er töricht und unbedacht. Morrell ist ein ausgefuchster Stratege. Und er
verfolgt eine ausgeklügelte Strategie, um bei dir ans Ziel zu gelangen. Ich
glaube, dass er dich ebenso gründlich ausgespäht hat wie eine Festung, die er
zu erobern gedenkt. Von seinem Beobachtungsposten aus muss er bemerkt haben,
dass in deinem Falle Tarnung angezeigt wäre.«
Charlotte
wusste kaum, was sie sagen sollte. Was hatte Colonel Morrell noch alles
bemerkt?, fragte sie sich auf einmal besorgt. Und warum hatte sie nichts davon
bemerkt?
»Seltsam
... Ich hätte es doch bemerken müssen«, sagte sie.
»Und was
dann?«
»Dann hätte
ich selbstverständlich etwas unternommen«, sagte sie. »Ich bin ziemlich
gut darin, einer Heirat aus dem Wege zu gehen.«
»Bist du
das?«, fragte er belustigt. »Bei Gelegenheit musst du mir deine Methode
einmal genau darlegen. Ich habe mir schon lange den Kopf darüber zerbrochen und
konnte des Rätsels
Lösung trotz alledem nicht
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