Loretta Chase

Ihres
geselligen Vaters mit seiner großen Familie und seinem weitem
Bekanntenkreis.«
    Sie wandte
sich zu ihm um. Angelockt von dem neckischen Ohrring, war er immer näher
gekommen, so nah, dass er die Wärme ihres Körpers spüren konnte. Ihr frischer
Duft umfing ihn, schien überall zu sein. Und nun war sein Mund kaum mehr eine
Handbreit von ihrem entfernt.
    Ihr Blick
senkte sich auf seinen Mund.
    Ihr Atem
ging rascher.
    Er neigte
sich noch etwas weiter vor.
    Sie drehte
sich um. »Colonel Morrell«, sagte sie. »Wie stehen Sie zu
Hausverwaltern?«
    Darius
fluchte leise, trat betont beiläufig einen Schritt zurück und drehte sich
gleichfalls um.
    Der Colonel
betrat die Bibliothek und durchquerte sie mit raschen Schritten.
    Sie musste
ihn im Spiegel gesehen haben. Aber wie lange hatte sie schon gewusst, dass er
an der Tür stand?
    Oder
schlimmer noch: Wie lange hatte Morell schon da gestanden, ehe sie seiner
gewahr wurde?
    »Bei einem
kleineren Anwesen würde ich einen Butler für ausreichend halten, insbesondere,
wenn das Anwesen nur von einem Junggesellen bewohnt wird«, sagte er. »Aber
wir Soldaten sind ein spartanisches Leben gewohnt. Ich persönlich finde, dass
eine Haushälterin, ein Kammerdiener und einige wenige Dienstboten, die bei Tage
zugehen, völlig genügen. Allerdings wurde mir schon gesagt, dass dies keine Art
sei, sein Anwesen zu führen, ein Armutszeugnis, das meinem Rang in keiner Weise
entspreche.«
    Wer ihm
dies gesagt hatte, ließ er nicht wissen, was daran liegen könnte, dass der
Gatte besagter Person nahebei schnarchte.
    Morrell
trat zu ihnen an den Tisch und fand sich Darius gegenüber an Lady Charlottes
Seite ein.
    »Mir wurde
dringend geraten, diese Entwürfe einzusehen und mir zu überlegen, wie sich mein
eigenes Anwesen verschönern ließe«, sagte er. »Haben Sie diese Pläne
angefertigt, Lady Charlotte? Sie zeichnen sehr gut.«
    Als er die
Zeichnung zur Hand nahm, gelang es ihm, sich geschickt und keineswegs auffällig
näher an sie heranzumanövrieren.
    Sie wich
zurück, was sie wiederum Darius näher brachte. Als Gentleman sollte nun auch er
zurücktreten, um ihr Platz zu machen, aber er wusste, dass Morrell sich ihr
nicht nur genähert hatte, um ihr nahe zu sein. Nein, Morrell hatte natürlich
gewusst, dass sie zurückweichen würde, und angenommen, dass auch Darius dies
täte, um ihr Platz zu machen. Das wiederum würde Darius an die äußerste Ecke
des Tisches und schließlich weit abgeschlagen an die Schmalseite manövrieren,
von wo er die Unterlagen nur noch seitwärts würde einsehen
können und die Längsseite Lady Charlotte und dem Colonel überlassen müsste.
    Kurzum:
Eine perfide Taktik, um das eigene Revier zu markieren.
    Man könnte
dies amüsiert zur Kenntnis nehmen und die junge Dame dem strategischen Colonel
überlassen. Schließlich hatte Darius für sie keine Verwendung. Andererseits war
er der jüngste von fünf Brüdern. Er gab sich nie kampflos geschlagen.
    Er rührte
sich keinen Zoll von der Stelle.
    Morrell
streckte die Hand nach einem weiteren Blatt aus und bewegte sich dabei abermals
auf Lady Charlotte zu.
    Sie wich
zurück, und da Darius seitlich am Tisch lehnte, brachte dieses Manöver ihre Kehrseite
unmittelbar mit seinen Fortpflanzungsorganen in Kontakt, welche sofort davon
Kenntnis nahmen.
    Und sie von
ihnen, wie ihr scharfes Einatmen vermuten ließ.
    Obwohl auch
sein Atem etwas aus dem Takt geriet, griff Darius betont gleichmütig nach einem
der Blätter. »Ah, die Meierei«, sagte er. »Was ich in London vermisse –
unter anderem ist gute frische Landmilch. Sahne und Butter schmecken in der
Stadt einfach nicht so frisch und gut wie auf dem Land.«
    »Dann
sollten Sie sich Kühe halten«, sagte Lady Charlotte und platzierte ihren
Absatz auf seine
Zehen.
    Sie trat
mit leisem Nachdruck zu, doch obwohl er feine Schuhe statt Stiefel trug,
genügte es nicht, ihn zum Nachgeben zu bewegen. »Ich weiß durchaus, wo Milch
herkommt, Lady Charlotte«, sagte er. »Ich bin sehr naturverbunden.«
    Sie
verlagerte ihr ganzes Gewicht auf besagten Fuß. Viel wog sie nicht, aber seine
Zehen waren nicht ganz so stattlich wie seine restliche Statur. Mit knapper Not
unterdrückte er einen Schmerzenslaut ... und zog sich geschlagen zurück.
    »Ich
dachte, Sie leben in der Stadt«, sagte Colonel Morrell, ohne von den
Plänen aufzusehen. »Zumindest scheinen Sie recht häufig in London zu sein und
dort Vorträge zu halten.«
    Sorgsam
darauf bedacht, seine Zehen außer