Loretta Chase
Vergnügen, Lady Charlotte«, sagte er und fand sich flugs bei ihr
am Pianoforte ein.
»Ihr seid
diesmal sehr lange im Speisezimmer geblieben«, flüsterte sie ihm zu,
während sie in den Notenblättern suchte. »Bitte sag nicht, dass Mr. Badgeley
über seinem Port eingeschlafen ist und du die Gelegenheit genutzt hast, mit
Papa über uns zu sprechen.«
»Mir
scheint, auch deine Nerven sind strapaziert, dass du derlei denkst«, sagte
Darius. »Ich habe über das, was du gesagt hast, nachgedacht. Deine Bedenken
sind durchaus nicht unbegründet, weshalb ich zu dem Schluss gelangt bin, dass
es das Beste wäre, das Balzritual wie geplant seinen Lauf nehmen zu
lassen.«
Ihre blauen
Augen weiteten sich. »Hast du? Wäre es?«
»Aus zwei
Gründen«, fuhr er fort. »Erstens wirst du bis dahin wissen, ob du
...« Er ließ seinen Blick kurz durch den Salon schweifen, doch alle
schienen in ihre eigenen Unterhaltungen vertieft. »Schwanger bist.
Vorausgesetzt, du bist es nicht, habe ich – zweitens – bis dahin reichlich
Gelegenheit, dich zu überzeugen, für dich die beste Wahl zu sein. Sollte mir
das nicht gelingen, müsste ich meine Niederlage eingestehen. «
Sie schaute
ihn an, als wisse sie nicht so recht, was sie von ihm halten sollte. »Sehr
wissenschaftlich, wie du das alles durchdacht hast.«
»Wir können
nicht beide emotional sein«, sagte er. »Einer von uns beiden muss objektiv
bleiben und einen kühlen Kopf bewahren.«
»Ja, wo
bleibt denn die Musik?«, rief Mrs. Badgeley. »Wie schwer kann es denn
sein, etwas Passendes zu finden?«
»Das bin
ich ganz Ihrer Meinung, Mr. Carsington«, sagte Lady Charlotte vernehmlich.
»Beethoven ist zu ... zu unbeherrscht, um den Abend ruhig ausklingen zu lassen.
Zudem würde
mein Talent ihm nicht gerecht. Für unsere kleine Hausgesellschaft haben wir übrigens
richtige Musiker engagiert. Aus London.«
»Ich an
Ihrer Stelle, würde ein gutes Auge auf die haben, Lord Lithby«, bemerkte
Mrs. Badgeley. »Musiker! Wo so viele empfängliche
junge Damen im Hause sind.«
»Ich habe
dabei auch die Gefühle deines Vaters berücksichtigt«, sagte Darius im
Schutz von Mrs. Badgeleys Ausführungen über Musiker und deren Neigung,
unschuldige junge Damen auf Abwege zu fuhren. »Es wird ihn freuen, wenn er
seinen Plan gelungen glaubt. Außerdem ziehen wir weniger Argwohn auf uns, wenn
wir uns danach verloben statt davor. Die Hausgesellschaft gibt mir zudem
Gelegenheit, dir noch einmal richtig den Hof zu machen.«
»Kommt dir
das nicht wie eine Farce vor?«
»Ganz im
Gegenteil, es erscheint mir von großer Bedeutung«, sagte er. »Ich habe das
Pferd ja sozusagen von hinten aufgezäumt: erst verführen, dann hofieren. Aber
ich wusste ja nicht, dass ...«
»Mit Händel
liegt man immer richtig«, ließ Mrs. Badgeley sich vernehmen.
»Ich hasse
Händel«, murmelte Lady Charlotte.
»Ich hasse
Händel«, brummte Darius im selben Moment.
Sie sahen
einander an und mussten sich das Lachen verkneifen.
»Danke,
Mrs. Badgeley«, sagte Charlotte. »Ein ausgezeichneter Vorschlag.«
»Sie mag
alles, was wie Kirchenmusik klingt«, flüsterte sie Darius zu. »Dabei döst
sie genauso friedlich wie in der Kirche. Sobald die Musik verklingt, redet sie
weiter, als wäre nichts gewesen.«
Lady
Charlotte spielte Händel, und Mrs. Badgeley verhielt sich wie vorhergesagt.
Sowie das Stück vorbei war, riss die Pfarrersfrau abermals lautstark die
Unterhaltung an sich.
»Du hast
recht«, murmelte Lady Charlotte, während sie so taten, als suchten sie ein
neues Stück heraus. »Einer von uns beiden muss vernünftig sein, und ich schaffe
das nicht. Ich bin zu ... emotional. Danke. Das ist sehr nett von dir.«
Er wäre
gern noch viel netter gewesen. Es gab so vieles, das er sagen wollte. Aber
hier, wo sie andauernd unterbrochen wurden, wo alle sie sehen würden, konnte er
es nicht sagen. Er würde eine weitere Gelegenheit finden müssen.
Sonntag, 7. Juli
»Ich
glaube es ja
nicht«, sagte Charlotte.
»Ich auch
nicht«, sagte Mr. Carsington. »Ich wüsste nicht, wann ich mich zuletzt in
die Nähe eine Kirche verirrt habe. Die Logik der Religion hat sich mir nie
erschlossen.«
»Und doch
bist du hier«, sagte sie.
»Wir müssen
reden«, sagte er. »Unter vier Augen. Dies war die nächstbeste Gelegenheit.«
Sie und
Lizzie waren gestern nicht auf Beechwood gewesen, da ihre Stiefmutter sich den
Samstag stets dafür freihielt, mit der Haushälterin die Bücher durchzusehen,
den Speiseplan für die
Weitere Kostenlose Bücher