Loretta Chase
kommende Woche abzusegnen und sich ihrer Korrespondenz
zu widmen.
Charlotte
hatte folglich nicht damit gerechnet, Mr. Carsington vor Montag wiederzusehen.
Sie hatte zwei ruhelose Nächte hinter sich, in denen sie mit sich gerungen
hatte, ob es nicht vielleicht ein Fehler gewesen war, nicht einfach Ja zu
sagen.
Doch nun,
als er so voller Ruhe und Gewissheit neben ihr einherging, war sie auf einmal
sicher, richtig gehandelt zu haben.
Freitagnacht
hatte sie sich in den Schlaf geweint, nachdem sie an nichts anderes hatte
denken können als an seine Güte, an den Trost und die Erleichterung, die sie
empfunden hatte, nachdem alles gebeichtet war und er sie einfach nur in seinen
Armen gehalten hatte.
Diese Güte
durfte sie ihm nicht auf Kosten seines Stolzes und seiner Reputation vergelten.
Wenn sie
mit unziemlicher Hast heirateten, würde es Gerede geben. Ihm mochte das nichts
ausmachen, aber ihr sehr wohl – seinetwegen. Ihr war es unerträglich, dass man
ihn für einen Mitgiftjäger halten könnte. Und es war ihr unerträglich, dass
sein Vater glauben könnte, er habe es sich leicht gemacht und sei seiner
Herausforderung nicht gewachsen gewesen.
Nun jedoch
schien es, als wäre er fest entschlossen, für Gerede zu sorgen. Da es von der Kirche
nach Lithby Hall nicht weit war, gingen Lord und Lady Lithby, so das Wetter es
erlaubte, des Sonntags gern zu Fuß. Nun befanden sie sich gerade auf dem
Rückweg, und gingen so weit vor Charlotte und Mr. Carsington, dass sie zwar
noch in Sicht-, aber außer Hörweite waren.
»Ich hoffe,
dir ist bewusst, dass du Papa auf dumme Gedanken gebracht hast«, sagte
sie. »Ich hoffe, dir ist auch bewusst, dass das ganze Dorf über uns reden wird.
Nach dem Kirchgang mit einer Dame spazieren zu gehen kommt einem Heiratsantrag
gleich.«
»Ich
weiß«, sagte er. »Obwohl ich wenig Zeit in vornehmen Kreisen verbringe,
bin ich mit deren Werbungsritualen durchaus vertraut. Endlos habe ich mir
anhören müssen, wie es zu Zeiten meiner Großmutter gehandhabt wurde und wie bei
meinen Eltern und bei diesem Verwandten und jenem. Ich weiß, dass man über uns
reden wird.«
»Warum hast
du dann nicht eine weniger öffentliche Gelegenheit abgewartet?«, fragte
sie.
»Weil ich
um dich werbe«, erwiderte er. »Mir fiele kein vernünftiger Grund ein, daraus
ein Geheimnis zu machen. Doch das war nicht der eigentliche Anlass für meinen
heutigen Kirchgang. Du sagtest am Freitag, dass du dir das nie verzeihen
würdest. Du bist sehr streng mit dir ins Gericht gegangen. Es ist gewiss eine
schwere Bürde, die
du zu tragen hast. Ich kann nicht nachfühlen, was du empfindest. Ich bin keine
Frau. Ich habe nie ein Kind geboren. Aber genau deshalb habe ich, so hoffe ich,
dir etwas zu bieten, was eine Frau nicht könnte. Eine andere Sicht der Dinge
vielleicht. Ich weiß noch nicht genau, wie ich es anstellen soll, aber ich will
versuchen, dir auf jede mir mögliche Weise zu helfen, Frieden zu finden.«
Er wandte sich ab und richtete den Blick auf das Paar vor ihnen. Lizzie drehte
sich um und lächelte. »Ich werde um dich werben, ja«, fuhr er fort. »Und
in den kommenden Tagen werde ich auch eine Möglichkeit finden, dir eine schwere
Last vom Herzen zu nehmen.«
Darauf
konnte sie nicht sogleich etwas zu erwidern, da besagtes Herz ihr zu bersten
drohte. »Du bist ein geradezu schockierend gütiger Mann«, sagte sie
schließlich und bemühte sich zu lächeln. »Vielleicht sollte ich die Sache
einfach hinter mich bringen und Ja sagen. Es ist mir nie besonders
schwergefallen, männlicher Verlockung zu widerstehen – zumindest nicht nach
diesem einen, ersten Mal –, aber gegen so viel Güte bin selbst ich
machtlos.«
»Nein«,
entgegnete er. »Ich möchte, dass du von ganzem Herzen Ja sagst. Ohne wenn und
aber. Ich gebe mich erst zufrieden, wenn ich dich davon überzeugt habe, dass
dein Leben ohne mich eine Wüste wäre, dass es ohne mich kein Leben mehr
gäbe.«
Da musste
sie laut lachen – wer hätte da nicht lachen müssen?
Sie
bemerkte nicht, dass ihr Vater sich nach ihnen umschaute und dann ihre
Stiefmutter mit einem wissenden Lächeln bedachte, welches ebenso wissend
erwidert wurde.
Sie
bemerkte nicht, dass die Dorfbewohner wissende Blicke tauschten, und sie hörte
das Gerede nicht. Sie wusste, dass über sie getratscht werden würde, und sie
hätte sich denken können, worüber.
Doch sie
bemerkte die Gefahr nicht.
Sie hatte
nur Augen für den großen, starken Mann an ihrer Seite, und wusste nur,
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