Loretta Chase
es geradezu von
ihm, nicht jedoch von seinem Ältesten ... der seinen Brüdern und seinesgleichen
stets mit leuchtendem Beispiel voranging. Ich hatte immer geglaubt, dass von
all meinen missratenen Söhnen wenigstens du dir deiner Pflichten und deiner
Verantwortung bewusst wärest, Benedict.«
»Das war er
auch – bis er mir mit Haut und Haaren verfallen ist und nicht länger Herr über
seine Sinne war«, sagte Bathsheba.
Abermals
richtete sich der kühle Bernsteinblick auf sie.
»Dann muss
ich Ihnen beipflichten, dass es wohl besser wäre, wenn Sie Ihres Weges gingen,
Madam. Mandeville und ich haben allerdings beschlossen, dass es, um derlei
unglückliche Episoden künftig zu vermeiden, gut für Ihre Tochter wäre, selbst
die Wahrheit über Edmund DeLuceys Schatz herauszufinden. Mandeville sähe es
gern, wenn Sie erst dann mit ihr aufbrächen, nachdem Miss Wingate und Lisle
ihre Ausgrabungen beendet haben. Leider lässt es sich nicht mit meinem Gewissen
vereinbaren, ihnen zuvor schon die gewünschte Summe zu zahlen. Das Mausoleum
ist recht groß – ich bezweifle, dass die beiden vor morgen fertig sein
werden.«
Kapitel 19
Schmutzig, erschöpft und entmutigt kehrten
Olivia und Lisle bei Einbruch der Dunkelheit zurück. Selbst ein heißes Bad mit
parfümierter Seife und zwei Zofen, die ihr aufwarteten, vermochten Olivias
düstere Stimmung nicht aufzuhellen. Lustlos stocherte sie in dem Essen herum,
das livrierte Lakaien ihr auf einem silbernen Tablett heraufgebracht hatten –
einschließlich einer entzückenden silbernen Vase mit einer goldgelben
Chrysantheme darin.
Heute
musste man ihr nicht ein Dutzend Mal sagen, dass sie ins Bett gehen sollte, sie
ging freiwillig, und das gar zwei Stunden früher als sonst. Sie sei müde, sagte
sie. »Es ist sehr nett von dir, Mama, nicht zu sagen ,Das habe ich dir doch
gesagt'«, meinte sie, als Bathsheba sie zudeckte. »Aber es stimmt. Du hast
es mir gesagt. Und Lord Lisle sagte es mir auch.«
»Auch
Erwachsenen kann man noch so oft sagen, dass dieser oder jener Wunsch
vergeblich ist, und doch hören sie nicht auf, darauf zu hoffen und zu
wünschen«, tröstete Bathsheba sie.
»Und doch
wünschte ich, die Sache gründlicher durchdacht zu haben«, sagte Olivia.
»Ich wünschte, dir nicht so viel Ärger bereitet zu haben. Das wollte ich nicht.
Ich wollte einen Schatz finden und dich zu einer feinen Dame machen.« Sie
lächelte reumütig. »Und mich natürlich auch. Nun ja, dann muss ich mir eben
etwas anderes überlegen.«
»Da gibt es
nicht viel zu überlegen«, beeilte Bathsheba sich zu sagen und erzählte
Olivia von Lord Mandevilles Wunsch, sie Lord Fosbury, ihrem Großvater
väterlicherseits, vorzustellen. »Lord Mandeville könnte dir den Weg ebnen und
alles dafür tun, dass du eine feine Dame wirst«, schloss sie.
»Aber es
bringt doch nichts, wenn sie dich nicht auch bei sich aufnehmen, Mama.«
»Oh doch,
das tut es.« Ausführlichst beschrieb Bathsheba ihr die Vorteile, die sich
für sie ergeben würden.
»Nein, das
ist keine gute Idee«, fand Olivia dennoch. »So habe ich mir das nie
vorgestellt. Ich habe Papa versprochen, gut auf dich aufzupassen. Mein Plan hat
nicht funktioniert, und deiner gefällt mir nicht.« Sie streichelte
Bathshebas Hand. »Aber mach dir keine Sorgen, Mama – morgen gehen wir fort von
hier und machen unser Glück anderswo.«
Er hatte
sich längst zum
Narren gemacht. Warum dann nicht in den Garten hinausspazieren,
nachdem alle zu Bett gegangen waren? Warum nicht schmachtend unter ihrem
Fenster stehen?
Warum
eigentlich keine Steinchen werfen?
Theatralische
Szenen gehören auf die Bühne.
Und Regeln
hatten gewiss ihr Gutes – bis zu einem gewissen Punkt.
Benedict
stand unter ihrem Fenster und sah hinauf.
Ja,
natürlich war es lächerlich. Morgen würde er sie ohnehin sehen, ehe sie aufbrach.
Aber dann wären andere dabei.
Nur einmal
wollte er sie noch sehen, nur einmal noch mit ihr reden, ohne dass jemand
zuschaute oder zuhörte.
Er würde
keine schmerzerfüllten Weisen singen. Er würde keine Verse rezitieren.
Sehen würde
er sie auch nicht, wie es schien, denn die Minuten krochen dahin, und sie ließ
sich nicht blicken.
Noch einmal
wollte er es lieber nicht versuchen. Er könnte sonst auch Olivia wecken – und die
würde die Steinchen bestimmt zurückwerfen. Und vielleicht noch einen Stuhl
hinterher.
Durchaus
verständlich. Es hatte Zeiten gegeben, wo sogar er Dinge nach seinem Vater
hatte werfen wollen. Kinder
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