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Loretta Chase

Loretta Chase

Titel: Loretta Chase Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ein skandalös perfekter Lord
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ausgerissen.«
    Das
überraschte sie so sehr, dass sie zu ihm herumfuhr und sein makellos perfektes
Profil betrachtete. »Sie belieben zu scherzen, oder?«, fragte sie. »Wie
bringt der behütete Sohn eines Earls es fertig, heimlich auszureißen? Und warum
sollte er?«
    »Wäre es so einfach gewesen, hätte es ja keinen Reiz
gehabt«, erwiderte er. »Aber Erwachsene auszutricksen war eines meiner
Lieblingsspiele. Weggelaufen bin ich immer dann, wenn mir langweilig war oder
wenn ich wütend war oder ... nun ja, wenn ich es einfach nur gründlich leid
war, gut zu sein. Einmal war ich sogar drei Tage lang verschwunden.«
    Bathsheba
konnte sich den kleinen Jungen gut vorstellen, der er gewesen war. Fast meinte
sie, ein jungenhaft verschmitztes Funkeln in seinen Augen aufblitzen zu sehen.
    War es das,
was sie so anzog, tief in diesen dunklen Augen?
    Ihr Herz
begann zu rasen.
    »Olivia und
Lisle werden nicht drei Tage verschwunden bleiben«, sagte sie entschieden.
    »Nein, denn
das würde die Angelegenheit etwas verkomplizieren«, sagte er.
    »Verkomplizieren?«,
wiederholte sie. »Es wäre eine Katastrophe.« Drei Tage mit ihm auf Reisen
... Unvorstellbar! Drei Tage mit ihm reden, mehr über ihn erfahren ... so nah
beieinandersitzen, seine Kraft und seine Wärme spüren ... seiner tiefen Stimme
im Dunkeln lauschen ... seine schlanken, behandschuhten Hände betrachten.
Unmöglich.
    »Ich kann
unmöglich in Ihrer Gesellschaft über Nacht ausbleiben«, stellte sie klar.
»Mrs. Briggs habe ich erzählt, ich müsse rasch zu einer kranken Verwandten, und
Sie hätten sich freundlicherweise erboten, mich hinzufahren. Ich würde wohl
erst spät am Abend zurück sein, aber nun ...«
    »Nun, wenn
es so weitergeht, sind wir frühestens bei Tagesanbruch
zurück«, meinte er. »Wir brauchen also ein Alibi. Sie hatten mir doch mal
erzählt, Sie stammten von einer langen Ahnenreihe begabter Lügner ab. Und mir
ist keineswegs entgangen, wie wunderbar Sie eben den Wirt des White Hart
angelogen haben. Ich war schwer beeindruckt. Fast hätte ich Ihnen geglaubt,
dass Sie meine Schwester sind.« Er wandte den Kopf und sah sie an.
»Fast.«
    Wieder
lächelte er dieses provozierende Beinahlächeln, diese Andeutung eines Lächelns,
die alles Mögliche bedeuten konnte: Belustigung, Spott, Zynismus, Arroganz.
Doch hörte sie ein Lächeln – fast schon ein leises Lachen – in seiner Stimme.
Wie ein Flüstern klang es in der Dunkelheit, und sie spürte, wie es ihr im
Nacken kribbelte und den Rücken hinunterhuschte.
    »Ich habe
einfach das Erstbeste gesagt, das mir eingefallen ist«, wehrte sie
bescheiden ab.
    »Dann
dürfte Ihnen gewiss auch etwas einfallen, um Ihre ausgedehnte Abwesenheit zu
erklären«, meinte er. »Ah, das da vorne wird die Brücke über den Coln
River sein.« Sie richtete ihren Blick nach vorn. Seine Augen mussten
schärfer sein als ihre, denn sie sah nichts als undurchdringliches Dunkel.
    »Über das
,Ostrich Inn' in Colnbrook erzählt man sich eine grausige Geschichte«,
sagte er. »Kennen Sie die?«
    »Nein. Ich
höre gerade zum ersten Mal vom Ostrich Inn.«
    »Oh, es ist
ziemlich berühmt«, sagte er. »Vor langer Zeit hieß es ,The Hospice'. Die
reichen Händler, die zwischen Bath, Reading und London verkehrten, stiegen dort
oft über Nacht ab. Das Befremdliche war nur, dass im Laufe der Jahre gut
sechzig Männer durch die Tür des Gasthauses traten und es nie wieder verließen.
Sie verschwanden einfach, einschließlich ihrer Waren und Habseligkeiten. Man
hätte meinen sollen, der Obrigkeit wäre dies seltsam vorgekommen, aber weit gefehlt.
Doch dann verschwand eines Nachts ein sehr vermögender Kaufmann namens
Thomas Cole, der schon oft unbeschadet dort genächtigt hatte. Anders als die
anderen indes, tauchte er wieder auf. Ein paar Tage später trieb sein gut
abgebrühter Leichnam im Weiher.«
    »Gut
abgebrüht?«, vergewisserte sich Bathsheba, dass sie auch richtig gehört
hatte. »Das ist nicht Ihr Ernst.«
    »Doch. Sie
wissen sicher, dass man früher oft die Köpfe von Verbrechern auf Lanzen spießte
und zur Schau stellte, damit sie anderen Warnung und Abschreckung seien«,
sagte er. »Aber wissen Sie auch, dass die abgetrennten Köpfe bisweilen gekocht
wurden, damit sie sich länger hielten?«
    »Das ist ja
widerlich«, fand sie.
    »In Ägypten
macht man das heute noch so«, erzählte er weiter. »Mein Vater hatte im
Sommer von Mohammed Ali, dem Pascha von Ägypten, einen abgetrennten Kopf in
einem Korb zugesandt

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