Loretta Chase
sorgen, dass es dir an nichts fehlt«, sagte er.
Wenige
Minuten später durfte sie feststellen, dass es Thomas wirklich an nichts
mangeln ließ.
Durch die
halb geöffnete Tür reichte er einen Stapel Kleider herein. Wahrscheinlich würde
er gleich noch ein Zimmermädchen hinterhergeschoben haben, hätte Rathbourne ihm
nicht versichert, sehr wohl selbst in der Lage zu sein »Mrs. Bennett«
anzukleiden.
Der
gewissenhafte Lakai – und wen immer er noch für die verantwortungsvolle Aufgabe
angeheuert haben mochte – hatte Bathsheba eine Garnitur Wäsche zum Wechseln
gekauft sowie ein neues Kleid. Und eine neue Haube.
»Das kann
er unmöglich auf dem Markt gefunden haben«, meinte Bathsheba, als
Rathbourne zwei Kleidungsstücke zu ihrer Begutachtung hochhielt. »Du hast ihn
zu einer Schneiderin geschickt – und ich wage gar nicht, daran zu denken, was
das gekostet hat. Sie muss ihm Sachen verkauft haben, die für eine andere
Kundin gefertigt worden sind, und zudem noch rasch Änderungen vorgenommen
haben.«
»Schneiderinnen haben immer einige verwaiste Kleidungsstücke im
Sortiment«, beruhigte er sie. »Ihre Kundschaft ist weiblich, und Frauen
sind berühmt dafür, es sich anders zu überlegen. Sie wird die raschen
Änderungen gewiss gerne vorgenommen haben und froh gewesen sein, endlich dafür
bezahlt zu werden. Aber wie dem auch sei – gefällt es dir?«
Es war ein
recht einfaches Kleid aus weißem Musselin, doch der schlichte Rock war am Saum
hübsch mit Rüschen und Volants aufgeputzt. Zudem hatte Thomas ihr auch ein
Jäckchen dazu gekauft, und das war, ebenso wie die dazu passende Haube,
leuchtend blau und aus schimmerndem Seidensatin.
Seit
Ewigkeiten, seit ihr Vater das letzte Mal Geld in den Händen gehabt hatte – was
nicht lange währte –, hatte Bathsheba nichts derart Schönes mehr getragen. Aber
sie konnte ein solches Geschenk unmöglich annehmen. Das käme einem öffentlichen
Eingeständnis gleich, Rathbournes Hure zu sein.
»Es ist
schön«, sagte sie.
Er
lächelte, und es war ein so jungenhaft erfreutes Lächeln, dass es ihr ans Herz
ging und ihr den Atem nahm.
Doch das war
nur eine vorübergehende Gefühlsverirrung.
Sie war
nicht verliebt. Ganz und gar nicht.
Auf dem
Gipfel der Leidenschaft hatte sie eine törichte Anwandlung gehabt, aber genau
das war es auch: eine Torheit, ein unbedachter Gedanke.
Sie war
verrückt nach ihm, das schon, geradezu besessen, das auch, und war es
wahrscheinlich von dem Moment an gewesen, da sie ihn in der Egyptian Hall das
erste Mal gesehen hatte.
Aber Liebe
war das nicht.
»Bleibt nur
noch die Frage, ob es passt«, sagte er. Sein dunkler Blick glitt über sie, ebenso warm
und verlangend wie seine Hände.
Nun wäre es
an der Zeit zu sagen: Danke, aber nein, das kann ich nicht annehmen. Danke,
aber ich muss mit meinen eigenen Kleidern vorliebnehmen – jene, die ich so oft
aufgetrennt, von innen nach außen gekehrt und wieder zusammengenäht habe, jene,
die ich so oft ausgebessert, gestopft und geflickt habe, dass vom
ursprünglichen Stoff kaum noch etwas übrig ist, jene, die ich so oft gewaschen
habe, dass die Farbe kaum noch zu erkennen ist.
Wem versuchte
sie hier eigentlich etwas vorzumachen?
Sie war mit
einem Mann ins Bett gegangen, mit dem sie nicht verheiratet war. Sie war eine
Hure.
Da konnte
sie ebenso gut eine glückliche sein.
Und so
sagte sie: »Ich werde sie schon passen lassen.«
Sie nahm ihm
die Kleider ab und sichtete die Unterwäsche. Gern hätte sie auf seine Hilfe
verzichtet, doch hatte Thomas Wäsche gekauft, wie Frauen der besseren Kreise
sie trugen – Kleidung, die allein nicht zu handhaben war. Die Kleider und
Korsetts, die sie üblicherweise trug, waren allesamt vorne zu schließen. Das
neue Kleid und Korsett besaßen hingegen vornehme Verschlüsse auf dem Rücken.
»Beim
Korsett bräuchte ich deine Hilfe«, sagte sie, nachdem sie sich Unterhose
und Kamisol angezogen hatte.
»Dann
sollte ich mir jetzt besser ernüchternde Gedanken machen«, meinte Rathbourne,
warf die Weste beiseite, die er gerade hatte anziehen wollen, und kam zu ihr.
»Wie wäre
es, an den drohenden Skandal zu denken?«, schlug sie vor. »Oder an zwei
vermisste Kinder? Oder an beides?«
Er trat
hinter sie und machte sich an die Arbeit. »Das sollte wohl genügen. Lass uns
ganz systematisch überlegen, wie wir bezüglich der Kinder weiter vorgehen können.«
Systematische
Überlegungen lagen ihr gerade eher fern. Zu sehr war sie sich seiner Hände
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