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Lorettas letzter Vorhang

Lorettas letzter Vorhang

Titel: Lorettas letzter Vorhang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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Haar, so ein glänzenes Kupfer ist selbst da, wo ich herkomme, selten. Und ich – nun, ich wollte es kurz machen   –, ich sah seine Blicke. Er hatte die schönsten schwarzen Augen, die ich je gesehen habe, und bis zu diesem Abend hatte mich niemals jemand so angesehen. Als er abreiste, reiste ich mit ihm. Nein, nein, ich bin nicht davongelaufen, das hätte ich mich niemals getraut. Damals noch nicht. Wer weiß, welchen Handel sie geschlossen haben, aber am Tag vor seiner Abreise rief mich Madame in ihr Zimmer und sagte mir, er wolle mich mitnehmen. Ich solle nicht dumm sein und mich sträuben, er werde gut für mich sorgen, und später, dann werde man schon sehen, er sei ein Ehrenmann, ich würde schon nicht auf der Straße enden. Meine Eltern seien bereit, mich gehen zu lassen, wenn man sie gut entschädigte, und das habe sie schon getan. Meine Eltern, das wußte ich, würden sich keine Gedanken um mich machen, das hatten sie nie getan. So wie ich mir seither auch keine Gedanken mehr um sie mache.»
    «Und du gingst mit ihm? Gleich am nächsten Tag?»
    «Natürlich. Selbst wenn ich eine Wahl gehabt hätte, wäre ich mit ihm gegangen. Nicht nur wegen seiner Augen. Er war gekleidet wie ein Prinz, duftete wie ein Rosengarten, und seine Pferde – du hättest seine Pferde sehen sollen. Ich war ja noch sehr dumm, und außerdem: Was ich zurückließ, war nicht gerade der Himmel.»
    Es sei eine lange Reise gewesen, berichtete Loretta, aber schließlich waren sie am Ziel, einem Haus in den Wäldern nahe von Straßburg. Nicht gerade ein Schloß, aber ein komfortables Jagdhaus mit einem großen Garten. Sie hatte nun eine Zofe, ein Kind noch, aber doch recht putzig und sehr geschickt, es gab eine Köchin, zwei Mädchen und einen alten Mann, Philippe, der dem Haus vorstand. Sie hatte zwar gedacht, sie werde mit ihrem neuen Herrn in Straßburg leben, er hatte ihr so viel davon erzählt, von den Theatern, den Konzerten, den Kaffeehäusern und Gesellschaften, auch von der prächtigen Kathedrale, deren Turm höher war als die aller anderen Kirchen. Doch sie begriff schnell, daß er ein Mädchen wie sie, ein Geschenk aus der Küche einer befreundeten Familie, nicht in seine feine Gesellschaft mitnehmen konnte. Sie beschloß, sich zu gedulden und einstweilen glücklich zu sein, wenn er bei ihr war. Und sie war klug genug, sich an all den anderen Tagen nicht zu Tode zu langweilen oder mit Schokolade zu betäuben, sondern Philippe davon zu überzeugen, daß sie nicht so dumm war, wie er dachte. So brachte er ihr alles bei, was eine Dame wissen und können muß.
    «Tatsächlich ist das ja nicht sehr viel, und ich lerne schnell. Nur mit dem Spinett wollte es nicht klappen. Meine Hände», sie sah auf ihre kräftigen, stets etwas geröteten Finger und verbarg sie schnell in ihren Röcken, «meine Hände waren geschickt mit Schüsseln, Töpfen und Wassereimern, auch in einigen anderen Dingen, von der eine Dame ganz bestimmt nichts wissen sollte, aber seit einem besonders kalten Winter waren sie nicht mehr geschmeidig genug für die Tasten. Und mein Gesang klang schon immer so zierlich wie der einer Krähe.»
    Rosina hatte gespannt zugehört, diese Geschichte war so ganz anders als ihre. Aber auch wenn Lorettas Stimme,wie versprochen sehr leise, sie immer schläfriger machte, wollte sie auch das Ende hören. Und Antworten auf all die Fragen, die Loretta noch offengelassen hatte.
    «Aber warum bist du dort weggegangen? Hat er dich weggeschickt?» fragte sie.
    Loretta schüttelte trotzig den Kopf. «Nein, er hat mich nicht weggeschickt. Ich bin einfach gegangen. Nun gut, wahrscheinlich hätte er es bald getan. Ich ging, als er immer seltener kam. Er war noch freundlich, auch gefiel ihm mein Körper noch gut, aber seine Augen blickten mich anders an, und in der Küche sprach man darüber, wie lange es noch dauern würde, bis eine andere einzog. Ich war nicht die erste, die er hier versteckte, und die, die vor mir da war, hatte er an einen anderen weitergereicht. Es hieß, er habe sie gegen zwei Schimmel aus der Camargue getauscht, was ein stolzer Preis war, aber dem Mädchen trotzdem kaum gefallen haben wird. Mir jedenfalls hätte es nicht gefallen!
    Aber ich will nicht klagen. Er hat mich aus dieser Küchenfron geholt, und ohne ihn hätte ich nie all das gelernt, was Philippe mich in den beiden Sommern und dem langen Winter lehrte. Kurz und gut, als der zweite Sommer zu Ende ging, als er fast einen Monat nicht bei mir gewesen war, packte

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