Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lorettas letzter Vorhang

Lorettas letzter Vorhang

Titel: Lorettas letzter Vorhang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
Vom Netzwerk:
helfen, wahrscheinlich   …
    «Wagner», unterbrach Claes seine Gedanken, «natürlich werde ich van Witten darüber informieren, aber es ist mir ein Anliegen, eine Pflicht, bei der Suche nach dem Mörder der Freundin Rosinas zu helfen. Ich will Euch nicht ins Handwerk pfuschen, aber mein Haus ist Mademoiselle Rosina eng verbunden, und niemand wird mich daran hindern. Also machen wir uns besser gleich gemeinsam auf die Suche.»
    Wagner grinste. Es war das erste Mal, daß Claes Herrmanns ihn einfach so grinsen sah.
    «Gewiß, Monsieur Herrmanns, ich dachte es mir schon. Der Senator wird kaum etwas dagegen einzuwenden haben, obwohl ich glaube, daß Euch das nicht hindern würde.»
    Wagner wartete nun auf energischen Protest von Madame Herrmanns, auf die Sorge der liebenden Gattin, die es nicht zulassen will, daß sich ihr Mann zum einen in Gefahr, zum anderen in die Niederungen des Verbrechens begibt. Aber Anne, obgleich ihre Stirn sich in der Erinnerung an den gefahrvollen letzten Sommer ein wenig krauste, nickte nur. Für einen Moment fürchtete Wagner, daß er bald die ganze Familie Herrmanns, Madame Augusta eingeschlossen, im Auge behalten mußte. Er seufzte schwer, dann traute er sich endlich, in einen der köstlich duftenden Carlsbader Kuchen zu beißen.
    «In einer Sache brauche ich Eure Unterstützung gleich», fuhr er schließlich fort. «Und gewiß auch die Eure, Madame Herrmanns.» Er sah Rosina streng an, legte beide Hände fest auf den Tisch und sagte ungewohnt energisch: «Mademoiselle, meine liebe Rosina, ich bitte Euch, ich befehle Euch sogar: Überlaßt die Aufklärung des Mordes mir. Und Monsieur Herrmanns natürlich. Ich weiß, wie ausgezeichnet unsere Zusammenarbeit im letzten Jahr war, ganz ausgezeichnet sogar, aber da ging es um ganz andere Verbrechen. Es wurden nur – pardon, Monsieur Herrmanns, Ihr versteht, wie ich es meine   –, nur reiche Männer getötet. Nichts, was Euch von vornherein gefährlich werden konnte, weil niemand in diesen Kreisen in Euch eine Gefahr vermutete. Aber hier geht es um den Tod einer Komödiantin, und Ihr seid auch eine. Wer immer Mademoiselle Grelot getötet hat, muß irgendeine Verbindung zum Theater haben, und sei es als Zuschauer. Ihr müßt mir versprechen, nicht auf eigene Faust nach dem Mörder zu suchen. Fest versprechen. Ihr könntet sehr schnell in Gefahr kommen, wenn derjenige merkt, daß ihr Fragen stellt, daß ihr vielleicht etwas wißt oder herausfindet, das ihm gefährlich   …»
    «Sehr richtig, Wagner», rief Claes, griff in seine Rocktasche und zog einen zerknitterten Bogen Papier heraus. «An einer der vorderen Säulen der Börsenhalle hing heute morgen dies hier, ein böses Pamphlet gegen alle, die mit dem Theater zu tun haben. Eine üble Faselei von Sünde, Gotteslästerung, von vom Satan verführten Weibern und solcherart Schändlichkeiten. Womöglich ist dieser Mörder auch so eine verirrte Seele, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Stadt – wie heißt es hier? – ‹vom gottlosen fremdländischen Unrat zu reinigen›.»
    «Wie dumm und schrecklich.» Anne griff zornig nachdem Pamphlet und überflog die Zeilen. «Auf keinen Fall wird Rosina wieder in die Neustadt zurückkehren. Du wirst hier bei uns wohnen. Allein in deinem Zimmer bei der Krögerin, kein vernünftiger Riegel an der Tür, von einem Schloß ganz zu schweigen, das ist nicht gut für dich. Die Krögerin hat nicht einmal einen Hund, und ihre Gänse sind so fett und faul, die schnattern ja kaum, wenn sie am letzten Adventssonntag ein Messer sehen. Ich könnte kein Auge zutun. Nicht wahr, Claes, Rosina wird   …»
    «Nein!» Rosina hatte nun genug davon gehört, was sie tun oder nicht tun werde. Sie sah alle der Reihe nach an, Anne, Claes und Wagner, sah die Sorge in den Gesichtern, aber auch die Kühle und Selbstgewißheit, die sich stets in die Augen der Menschen schleichen, wenn sie über das Tun und Lassen anderer entscheiden. Egal, ob in böser oder guter Absicht.
    «Nein!» sagte sie noch einmal und so laut, daß Blohm, der auf der anderen Seite der Tür lauschte, um Elsbeth genau Bericht erstatten zu können, erschrocken zurückfuhr, weil er dachte, die Tür habe sich geöffnet. «Auf gar keinen Fall. Das verspreche ich nicht! Befehlen könnt Ihr mir gar nichts. Und wenn Ihr mich bittet, muß ich Euch diese Bitte abschlagen. Ihr sagt es selbst, Wagner, es muß jemand sein, der mit dem Theater zu tun hat. Niemand von Euch kann sich im Theater so frei bewegen,

Weitere Kostenlose Bücher